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ILA Berlin 2018: Bauhaus Luftfahrt kündigt zahlreiche Innovationen an

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Bauhaus Luftfahrt will auf der ILA 2018 zahlreiche Innovationen vorstellen/Foto: Bauhaus Luftfahrt

Das Bauhaus Luftfahrt wird vom 25. bis zum 29. April 2018 mit einem eigenen Stand (Halle 2, Stand 403) auf der ILA Berlin – der führenden Innovationsmesse der Luft- und Raumfahrtbranche – vertreten sein. Mit im Gepäck haben die Zukunftsforscher aus München zahlreiche innovative Denk- und Diskussionsanstöße, die das Potenzial haben, das Luftverkehrssystem grundlegend zu verändern.

Der Thinktank will nicht nur eigene technologische Konzepte und operationelle Lösungsansätze präsentieren, sondern auch wissenschaftliche Antworten geben auf die zentralen Zukunftsfragen der Luftfahrt, unter anderem: Was treibt die Mobilität von morgen? Welche alternativen Energieoptionen werden langfristig für die Luftfahrt zur Verfügung stehen? Welche Antriebs- und Systemtechnologien werden die Effizienz zukünftiger Flugzeugentwürfe weiter verbessern? Und: Welchen Einfluss werden Informationstechnologien auf zukünftige Produkte und deren Entwicklungsprozesse haben? 

Auch beim Standkonzept soll es Neuigkeiten geben: Im Mittelpunkt soll ein 60 Zentimeter durchmessender touchfähiger Globus stehen, auf dem der Besucher die ganze Welt der Luftfahrtforschung interaktiv entdecken kann.

Hybrides Antriebskonzept Composite Cycle Engine

Das Composite-Cycle-Engine-Konzept (CCE) führt Kolbenmaschinen in das Kerntriebwerk von Flugantrieben ein. Die Kolbenmaschinen erhöhen den thermischen Wirkungsgrad, indem sie durch instationäre, isochor/isobare Verbrennung höhere Spitzendrücke und -temperaturen im Kerntriebwerk ermöglichen. In der aktuellen Ausführung sind die Kolbenmaschinen mit der Hochdruckwelle verbunden und treiben den axial-radialen Hochdruckverdichter an. Das Niederdrucksystem ist einer konventionellen Getriebefanarchitektur (GTF) nachempfunden. Auf diese Weise kann die gewichtsspezifische Leistungsdichte von Niederdruckturbinen voll ausgenutzt und ein extrem hohes Bypass-Verhältnis realisiert werden. Für eine Inbetriebnahme im Jahr 2050 sollen, unter Annahme eines entsprechend extrapolierten Technologieniveaus, Verbesserungen im Kraftstoffverbrauch von bis zu 50 Prozent gegenüber der 2000er-Turbofan-Technologie beziehungsweise von 11 Prozent gegenüber der erwarteten 2050er-GTF-Technologie erreicht werden.

Intermodales Verkehrskonzept CentAirStation und CityBird

CentAirStation und CityBird sollen die operationelle Antwort von Bauhaus Luftfahrt auf das ambitionierte 4-Stunden-Tür-zu-Tür-Reiseziel der Europäischen Kommission (vergleiche Flightpath 2050 – Europe’s Vision for Aviation) sein. Die Idee der Experten: Vierstöckige Flughafengebäude mit einer durchschnittlichen Länge von 640 Metern und einer durchschnittlichen Breite von 90 Metern werden in den Innenstädten der wichtigsten europäischen und weltweiten Großstädte errichtet – auf eine der zahlreichen vorhandenen Gleisflächen in der Stadt. Der Passagier reist mit dem regionalen Nahverkehr, mit Hochgeschwindigkeitszügen oder per Individualverkehr an. Über Rolltreppen gelangt er in das 1. Obergeschoss, wo sich neben Einkaufs- und Unterhaltungsmöglichkeiten auch die Einrichtungen zur Sicherheitsüberprüfung befinden. Im 2. Obergeschoss wartet an einer von 15 Gatepositionen bereits der CityBird – ein besonders kleines und leises, kurzstartfähiges Regionalflugzeug. Vollelektrisch wird der CityBird auf die darüberliegende Start- und Landebahn gehoben, wo die Flugreise in bis zu 1000 Kilometer entfernte Innenstädte beginnt. Seit dem Betreten des Flughafengebäudes sind zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 15 Minuten vergangen. Mit diesem System der City-Flughäfen können die Reisezeiten von City zu City erheblich verkürzt und zudem die großen Flughafendrehkreuze nachhaltig für den Langstreckenverkehr entlastet werden.

Vorstellung erster Flugkraftstoff aus Sonnenlicht

Ein weiteres Highlight auf dem Stand des Bauhaus Luftfahrt soll die Vorstellung des ersten „solaren“ Flugkraftstoffes am Donnerstag, 26. April 2018 zwischen 12:30 und 13:30 Uhr sein. Im Rahmen des von der Europäischen Union geförderten Forschungsprojektes SOLAR-JET ist es erstmals gelungen, synthetisches „solares“ Kerosin herzustellen. Der gesamte Produktionsprozess für erneuerbaren Kraftstoff aus Sonnenlicht, Wasser und Kohlenstoffdioxid (CO2) wurde erfolgreich durchlaufen, was die Zukunft der Luftfahrt maßgeblich beeinflussen könnte. Mehrere namhafte wissenschaftliche Einrichtungen von der akademischen Forschung bis zur Industrieforschung (ETH Zürich, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Shell Global Solutions sowie ARTTIC) haben unter Koordination des Bauhaus Luftfahrt einen innovativen Prozess entwickelt, bei dem konzentriertes Sonnenlicht, Wasser und CO2 zu einem sogenannten Synthesegas umgesetzt werden. Dies wird mittels einer Redoxreaktion von Metalloxiden bei hohen Temperaturen erreicht. Das Synthesegas, eine Mischung aus Wasserstoff und Kohlenstoffmonoxid, wird abschließend mithilfe des bereits etablierten Fischer-Tropsch-Verfahrens in Kerosin umgewandelt. Im ebenfalls von der Europäischen Union geförderten Folgeprojekt SUN-to-LIQUID (www.sun-to-liquid.eu) wird dieser vielversprechende Ansatz derzeit von einem internationalen Konsortium auf die nächste Entwicklungsstufe gebracht. Die Originalprobe des ersten solaren Kerosins kann in der oben genannten Zeit auf dem Stand von Bauhaus Luftfahrt (Halle 2, Stand 403) besichtigt werden.

Über das Bauhaus Luftfahrt: https://www.bauhaus-luftfahrt.net/ueber-uns/unsere-mission/


Lufthansa und DLR erproben Assistenzsystem für leisere Anflüge

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Display des Piloten-Assistenz-Systems LNAS im DLR-Forschungsflugzeug ATRA

Lufthansa testet ab sofort gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), dem Umwelt- und Nachbarschaftshaus (UNH) und dem Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport das Pilotenassistenzsystem LNAS (Low Noise Augmentation System). Das neue System soll helfen, den Lärm beim Landeanflug zu verringern.

Für diese Langzeiterprobung rüstet Lufthansa derzeit bis zu 86 Flugzeuge der Airbus-A320-Familie mit dem neuen Assistenzsystem aus. LNAS ist ein Assistenzsystem, das die Piloten bei der Ausführung lärmarmer und kerosinsparender Anflüge unterstützt. Laut DLR wurde der Flughafen Frankfurt als primäre Plattform für den Langzeittest ausgewählt, weil Fraport und das UNH zahlreiche Lärmmess-Stellen unterhalten und die Daten für eine statistisch belastbare Aussage zur Verfügung stellen. LNS soll aber nicht nur in Frankfurt , sondern im gesamten Operation-Netz der Lufthansa A320-Familie eingesetzt werden. Dadurch können wichtige Erkenntnisse zum Treibstoffeinsparungspotential gewonnen werden. Zunächst würden 25 ausgewählte Piloten auf das LNAS-Assistenzsystem geschult. Später soll die Erprobung auf alle A320-Piloten der Lufthansa ausgeweitet und im regulären Flugbetrieb eingesetzt werden. Die Testeinsätze starten Ende Mai und sollen ein Jahr lang laufen. 

Anzeige optimaler Zeitpunkte für Handlungen während des Landeanflugs

LNAS zeigt den Piloten auf einem Display des Electronic Flight Bags (EFB)  optimale Zeitpunkte für Handlungen während des Landeanflugs – zum Beispiel für das Erreichen der Zwischenflughöhe oder das Ausfahren des Fahrwerks. Vom Langzeittest erwarten die Forscher weniger Lärm am Boden sowie zeitgleich eine Reduzierung beim Kerosinverbrauch. Das Pilotenassistenzsystem wird daher nicht nur in Frankfurt gestestet, sondern im gesamten Lufthansa-Airbus A320-Netz.

Die Forscher erhoffen sich von den gesammelten Daten wichtige Erkenntnisse zur erwarteten Treibstoffeinsparung bei LNAS-Anflügen.Das DLR hatte das von ihr entwickelte System bereits Ende 2016 selbst am Flughafen Frankfurt getestet. Damals kam das Forschungsflugzeug ATRA zum Einsatz.

Quellen: DLR, airliners.de

Carsten Spohr und BMW-Vorstand Klaus Fröhlich auf iNext-Promotion-Tour

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Präsentiert wurde die Studie nicht auf einer Messe, sondern in einem Frachtjet, der mit dem Schaustück einmal um die Welt geflogen ist/Foto: BMW

München, New York, San Francisco, Peking: Lufthansa Konzernchef Carsten Spohr und BMW-Vorstand Klaus Fröhlich auf weltweiter Promotiontour für das  neueste Modell von BMW, (Codewort: BMW iNext) das elektrisch fährt, ohne menschliches Zutun, das redet und fühlt, wenn man es streichelt. Fröhlich hat alles reingepackt, wozu seine Entwickler in der Lage sind.

Lufthansa hat sogar die Buchstaben „BMW iNext“ auf das Heck ihres Frachtflugzeuges, die Boeing 777F geklebt. Für Spohr war es eine Premiere: ein Flugzeug als fliegende Bühne für eine Produktvorstellung. In fünf Tagen wurden vier Metropolen angeflogen, um für das neue selbstfahrende Auto zu werben. 30 Tonnen Material hat BMW-Manager Fröhlich dafür verbauen und 7,5 km Kabel verlegen lassen. Fröhlich (58), ein Mann, der sein gesamtes Berufsleben in den Bayerischen Motorenwerken verbrachte die Berufsbezeichnung „Ingenieur“ als Ehrentitel begreift, hat 15 Mal in den fünf Tagen seine Show im Rumpf der Lufthansa Cargo Maschine abgezogen. Er hat 300 Gäste im Laufe der Woche willkommen geheißen, BMW als Anführer der technischen Revolution gepriesen, das neue Modell gelobt und gerühmt. Kein Knopf, kein Hebel, die Technik wird nur sichtbar, wenn man sie braucht. Man kommuniziert mit dem Auto über Finger, Gesten und verbale Befehle.2021 werde das selbstfahrende Gefährt eingeführt. Der Termin sei fix, Dingolfing als Produktionsort festgelegt. 

Die schönen Pläne haben nur einen Haken: Der Gesetzgeber in Deutschland muss bis dahin auch so weit sein. Der Blick über die Grenzen werde der Politik schon Beine machen, hofft er, wenn die Deutschen erst mal sehen, wie weit China und Amerika auf diesem Gebiet schon sind. An ihm, an der Technik, werde es jedenfalls nicht scheitern. Er habe heute schon fertige Systeme im Baukasten, wo der Fahrer auf der Autobahn das Steuer loslassen kann. In Amerika sei das erlaubt, in China auch, nur nicht in Europa. Hier müssen die Fahrer alle 30 Sekunden ans Lenkrad fassen.

Keine Angst vor der Konkurrenz aus Silicon Valley

In New York sagte er, BMW teste nicht am Kunden. 90 bis 95 Prozent teste man virtuell im Datencenter. In San Francisco ließ er seine Gäste wissen, dass BMW sich vorgenommen habe, keine Angst vor der Konkurrenz aus Silicon Valley zu haben. Er könne keine Vorteile von irgend welchen Wettbewerbern erkennen, sagte Fröhlich, der vor 15 Jahren, damals als Konzernstratege, das E-Zeitalter in München mit eingeläutet hat. Den Namen Tesla nahm er erst gar nicht in den Mund, auch wenn er sich jedes Modell der Marke anschafft und es mit seinen Technikern in Einzelteile zerlegt.  Erkenntnis bisher: Man könne es besser.

Der BMW iNext werde sich im Preisband zwischen 70 000 und 130 000 Euro bewegen. Peking, das nächste Ziel für die Promotiontour war Pflicht, denn die Volksrepublik wird mutmaßlich Leitmarkt für selbstfahrende Autos. Hier sei das Geld und der politische Wille und vor allem viele Menschen. China werde ein Hauptmarkt für den iNext und man habe die Technik entsprechend programmiert. Der iNext verstehe Chinesisch und spreche es auch. Der digitale Assistent wisse, was am Abend im Theater oder im Fußballstadion gespielt wird, er reserviere Plätze im Restaurant. Vor allem aber wolle Fröhlich große Stückzahlen für sein Wunderauto. Es werde kein Nischenauto.

Zurück in Deutschland sorgt sich Lufthansa-Chef Carsten Spohr gemeinsam mit BMW-Chef Harald Krüger um das Ansehen des Landes. Die Ausschreitungen in Chemnitz „sind  Bilder aus Deutschland, die man überhaupt nicht sehen möchte“ so Krüger gegenüber der Welt am Sonntag. Spohr sagte der Zeitung: „Dieses Land muss ein Land bleiben, mit dem man positive Bilder verbindet.“ Die Lufthansa stehe für „internationale Beziehungen, Offenheit und Verständigung über Grenzen hinweg.“
Im Gespräch mit Welt am Sonntag erklärten Spohr und Krüger auch, dass sie nicht in das künftige Geschäft mit Flugtaxis einsteigen wollen. „BMW kommt zwar ursprünglich aus dem Flugmotorenbau, aber wir werden kein eigenes Flugtaxi auf den Markt bringen“, sagte der BMW-Chef. Auch der Chef der Lufthansa meinte: „Flugtaxis von Lufthansa wird es nicht geben.“ „Es wird noch viele Jahre dauern, bis diese Technologie so sicher ist, wie das Fliegen mit der Lufthansa heute schon“, sagte er

Quellen: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Welt am Sonntag

Deutschland hat Nachholbedarf beim Thema Digitalisierung

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Zum zweiten Mal kürte in diesem Sommer das Wirtschaftsmagazin Capital die besten Digitallabore deutscher Großkonzerne. Die Innovation-Labs von Lufthansa, Linde, Daimler und Pro Sieben Sat 1 sind laut einer Studie die besten. Doch Deutschland hat Nachholbedarf beim Thema Digitalisierung, das sagen  inzwischen viele, etwa Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU Generalsekretärin, oder Gleb Tritus, Mitbegründer und Geschäftsführer des im Jahr 2014 gegründeten Lufthansa Innovation Hubs in Berlin und Vorreiter in vielen Diziplinen. Visionsblog.info sprach mit dem Serienunternehmer, Business Angel und Innovator.

Gleb Tritus

Visionsblog.info: Herr Tritus, es gebe zu wenig Bewusstsein für die Anstrengungen, die nötig sind, um die wirtschaftliche Stärke Deutschlands in einer völlig veränderten Welt auch für die Zukunft zu erhalten, sagte Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU-Generalsekretärin, gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung am 16. September. Wie sehen Sie das?
Gleb Tritus: Ich pflichte bei, dass noch immer zu wenig Bewusstsein für die Tatsache besteht, dass der Bedarf an technologischer Auffassungsgabe und Anpassungsfähigkeit längst nicht mehr linear, sondern überproportional steigt. Fundamentale Veränderungen passieren schlichtweg schneller als noch vor zehn oder 15 Jahren. Hier gerät der Wirtschaftsstandort Deutschland zunehmend ins Hintertreffen. Gleichzeitig wird Digitalisierung mittlerweile vorschnell als Allheilsmittel und heiliger Gral gesehen. Das Thema passt in so ziemlich jeden Branchenkontext und ist in den Organisationen, aber auch in der breiten Öffentlichkeit fortwährend im Rampenlicht. Zuweilen kann so gerade in der essentiellen Arbeitsebene eines Unternehmens der Eindruck entstehen, das alles fernab von Digital keine wesentliche Rolle mehr spielt. Dem ist natürlich keinesfalls so – am Ende müssen alte Tugenden und Kompetenzen in ein neues Zeitalter überführt und digital aufgepolstert werden.

Visionsblog.info: Auch der „Wirtschaftsgipfel Deutschland“ am kommenden Wochenende befasst sich in diesem Jahr mit der Fragestellung: „Deutschland im Stillstand?“ ….hier ist vor allem auch die Digitalisierung gemeint. Bewegt sich auch zu wenig im Bereich Aviation, eigentlich einem Vorreiter der Digitalisierung? Was kann noch besser werden?
Gleb Tritus: Branchenübergreifend geurteilt hat sich längst herumgesprochen, dass wir als einer der weltweit führenden Wirtschaftsstandorte erheblichen Nachholbedarf beim Thema Digitalisierung aufweisen. Das kann man als Zwischenzeugnis erstmal so stehen lassen, um die allgemeine Handlungsnotwendigkeit zu befeuern.
Im nächsten Schritt muss man Status Quo, Chancen und konkrete Möglichkeiten doch sehr differenziert und branchenabhängig beurteilen. Gerade im Bereich Luftfahrt, aber auch in anderen, stark regulierten Branchen wie Gesundheits- oder Finanzwesen, liegt es nahe, dass Digitalisierung mit dem Kopf durch die Wand nicht funktionieren kann.
Es ist daher sehr im Sinne aller Beteiligten – insbesondere der Passagiere – dass die zivile Luftfahrt viel Wert auf „doppelten Boden“ legt und nicht auf jeden vermeintlich innovationsträchtigen Zug aufspringt.Gleichzeitig verstehen wir als Lufthansa Innovation Hub unsere Aufgabe darin geschützte, nichtsicherheits-relevante Freiräume zu schaffen, um digital und testgetrieben experimentieren zu können. Diese Herausforderung haben alle großen Airlines, die sich ernsthaft mit dem Thema Digitalisierung beschäftigen, gleichermaßen und da gibt es definitiv noch Luft nach oben.Konkreter sind die Anschlussfähigkeit an das rapide wachsende Travel & Mobility Tech Ökosystem – Stichwort offene Programmierschnittstellen (sog. APIs) – sowie der verstärkte Blick über den Flug-Tellerrand hinaus wesentliche Herausforderungen, wo gerade wir als Lufthansa Group uns mittlerweile federführend positioniert sehen.

Visionsblog.info: Sie treiben als Geschäftsführer des „Lufthansa Innovation Hub“ die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle für den weltweit größten Luftfahrtkonzern voran. 2017 und 2018 waren sie Preisträger des „Digital Leader Awards“ mit Geschäftsmodellen wie „Lufthansa Open API“ in 2017 und „AirlineCheckins.com“ in 2018. Was ist das bahnbrechend Neue dieser beiden Geschäftsmodelle, ist es mehr als die Digitalisierung herkömmlicher Abläufe?
Gleb Tritus: AirlineCheckins.com ist tatsächlich der weltweit erste digitale Assistent für das Einchecken von Flügen – und zwar nicht nur von Lufthansa-Flügen, sondern allen Airlines, die einen Online-Check-In anbieten. Bis dahin gab es einen solchen Service schlichtweg nicht und die hohe Nutzeraktivität und -zufriedenheit zeigt uns, dass wir hier augenscheinlich einen Nerv treffen. Im nächsten Schritt werden wir um den Check-In herum weitere sinnvolle Assistenzdienste aufbauen. Es handelt sich um ein echtes Plattformmodell, das wir über die bestehende Infrastruktur einer ganzen Industrie legen – den eigentlichen Check-In-Prozess auf Airline-Seite fassen wir dabei gar nicht an.

Als wir 2014 die Lufthansa Open API vorgestellt haben waren wir ebenfalls „First Mover“: Lufthansa war damals die erste Airline weltweit mit einer offenen Programmierschnittstelle nach Marktstandard. Bis heute bieten nur 4% aller IATA- Airlines eine solche API an, die explizit neu aufkommende Spieler des Mobility & Tech Spielfelds adressiert. Einen solchen Aufwand betreibt man am Ende des Tages um diesen innovativen Unternehmen einen kontrollierten und skalierbaren Anschluss an die Lufthansa-Welt zu ermöglichen.

Visionsblog.info: Und wo sind Ihre derzeitigen Baustellen? Was kann/muss alles noch digitalisiert werden?
Gleb Tritus: Digitalisierung zieht sich wie ein roter Faden durch so ziemlich alle Bereiche einer Organisation. Die Opportunitäten sind dementsprechend schier unendlich. Als Lufthansa Innovation Hub fokussieren wir uns derzeit auf ganz bestimmte Stellschrauben der Reise- und Mobilitätskette, wo Lufthansa neben Kapital sehr konkrete strategische Mehrwerte in die Gleichung bringen kann – so beispielsweise Kundenreichweite, bestimmte Daten, Aviation- oder Loyalty-Knowhow, einen weltweiten, vertrauenswürdigen Fußabdruck. Naheliegende Bereiche in diesem Kontext sind beispielsweise das digitale Management von Geschäftsreisen oder die Reinterpretation des Begriffs „Loyalität“ im Zeitalter deutlich veränderter Kundenbedürfnisse.

Visionsblog.info: Im Rahmen des Programms „7 to 1“, das Lufthansa 2014 gestartet hat, wurden 500 Millionen Euro für Innovationen bis 2020 zur Verfügung gestellt. Wieviel hat der „Lufthansa Innovation Hub“ davon bekommen?
Gleb Tritus: Unsere Budgetsituation können wir leider nicht kommentieren. Fest steht jedoch, dass die bezeichneten Mittel seither einer großen Bandbreite von Maßnahmen und Projekten im Digitalisierungs- und Innovationskontext zugeführt wurden. Wir als Innovation Hub profitieren naturgemäß davon, indem wir beispielsweise ziemlich regelmäßig projektbezogene Anschubfinanzierungen für unsere Prototypen vom Konzern beziehen.

Visionsblog.info: Reichen die Ihnen zur Verfügung gestellten Mittel aus, oder soll mit Lufthansa´s Einstieg ins Wagnis-Kapital-Geschäft jetzt aufgestockt werden?
Gleb Tritus: Bislang fühlen wir uns finanziell ausreichend ausgestattet. Gerade für interne Innovations- und Digitalisierungsprojekte haben wir mit zwei flexiblen, reaktionsfreudigen Finanzierungsvehikeln eine hervorragende Ausgangssituation.
Echtes Wagniskapitalgeschäft im Tech-Kontext betreiben wir derweil noch nicht systematisch. Wir konnten im vergangenen Jahr mit ersten opportunistischen Investments strategischer Natur sehr wertvolle Erfahrungen sammeln. Derzeit arbeitet der Lufthansa Innovation Hub daran, diese Erkenntnisse in eine systematische und skalierbare Venture-Capital-Logik zu überführen. Die dafür benötigten Mittel sind dann zum gegebenen Zeitpunkt eine separate Diskussion.

Visionsblog.info: Wie arbeiten Sie mit Christian Langer, „Vice President Digital Strategy, Innovation and Transformation“ der Lufthansa Group, zusammen? Wie sehen die Schnittstellen aus?
Gleb Tritus: Die Konstellation ist besonders und wird im Lufthansa Innovation Hub erstmals so gelebt: Christian Langer verantwortet nicht nur die Digitalisierungs-bestrebungen der Lufthansa Group, sondern agiert auch gleichzeitig als zweiter Geschäftsführer des Innovation Hubs neben meiner Person. Die Zusammenarbeit ist dementsprechend eng. Christian wird als Teil des Teams verstanden und ist mittlerweile ein unabdingbarer Wegbereiter für unsere Themen an den diversen Schnittstellen im Konzern. Umgekehrt gibt er uns die Möglichkeit, maßgebend an der Digitalstrategie der Lufthansa Group mitzuwirken, die letztendlich die Leitplanken für unsere Arbeit der nächsten Jahre setzt. Unabhängig vom zugrunde gelegten Thema ist es für einen Großteil des LIH-Teams, das ursprünglich eben nicht aus einer großen Organisation kommt, extrem hilfreich jemanden mit tiefem Konzernverständnis an der Seite zu haben. Wir sind also mehr denn je in einem konkreten, operativen Modus unterwegs, weit über den üblichen Austausch hinausgehend.

Visionsblog.info: Was zeichnet die US-amerikanische Startup-Kultur aus und was die deutsche, wo sind die Unterschiede?
Gleb Tritus: Da gibt es ganz wesentliche Unterschiede. Zwei vielzitierte Themen, die tatsächlich zutreffend sind:
1. Die Risikobereitschaft ist im US-amerikanischen Raum sowohl auf Gründer-, als auch Investoren-Seite deutlicher ausgeprägt. Europa, insbesondere die Ökosysteme England, Frankreich und Deutschland, konnten dahingehend in den letzten Jahren jedoch spürbar aufholen.
2. Die Fehler- und Scheitertoleranz variiert immens. Viele US-Gründer feiern die Tatsache, dass sie schon zweimal Mal gegen die Wand gefahren sind, fast schon übermäßig. Deutsche Tech-Entscheider beispielsweise sehen das deutlich differenzierter.

Wir können jedoch nicht verkennen, dass viele bekannte Gründer zwei, drei Anläufe gebraucht haben bis etwas nachhaltig funktioniert hat. Dass sie auf dem Weg ein paar Mal gestolpert sind, hat sie oftmals nachhaltig geprägt und oft erst die eine, goldene Opportunität eröffnet. Hierzulande ist der Begriff „Scheitern“ deutlich negativer konnotiert. Am Ende sollte die tatsächliche Einordnung individuell und fallabhängig stattfinden – da ist uns die US-amerikanische Gründerszene definitiv voraus. Im Übrigen muss man feststellen, dass viele Branchen mittlerweile viel intensiver auf die asiatische Tech-Szene blicken als auf die US-amerikanische. In China beispielsweise ist der kulturelle Stretch zum Westen deutlich größer als zwischen USA und Europa. Ich bin daher immens gespannt wo sich die dortige, derzeit extrem dynamische Tech-Welle einpendeln wird.

Visionsblog.info: „If you are going to do it – do it properly, or don´t do it at all” sagt Gründer und CEO von Clarity PR. Hemmt das nicht die Freude am Experimentieren? Wie stehen Sie dazu?
Gleb Tritus: Ich kenne den expliziten Kontext dieses Zitats nicht, halte es aber in der isolierten Betrachtung für zu allgemein. So gibt es meines Erachtens kein „One size fits all“-Mantra beim Thema Digitalisierung. Vielmehr ist die Ausprägung von Experimentierfreudigkeit und detailverliebter Fokussierung eine Frage der Evolutionsstufe: Ist die zugrunde gelegte Hypothese noch nicht validiert, hat man gar keine andere Wahl als flexibel und sprunghaft zu bleiben, Themen stellenweise durchaus halbgar anzureißen und diese auch genauso schnell wieder zu verwerfen wenn sie denn nicht haften bleiben. Ist man dagegen im sicheren Fahrwasser angekommen, stimme ich zu, dass man seine Aufgabe nachhaltig und fokussiert angehen sollte. Wer mit seinem Geschäft in der durchdigitalisierten Welt von heute bestehen will, muss sich industrieunabhängig – wohlgemerkt mit Bedacht und größtem Feingefühl – beide Modi aneignen.

Visionsblog.info: „Investoren sind deutlich mehr als Kapitalgeber. Wir verfolgen langfristige Visionen – und da möchten alle, die am selben Tisch sitzen, einen Mehrwert bringen“, sagt Alexander Rinke von Celonis. Sie sind selbst Business Angel. Ticken die Amerikaner hier anders als die Europäer oder Deutschen, oder denken die genauso? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Gleb Tritus: Bezogen auf im Tech-Umfeld agierende Business Angels ist die Kultur dieses überschaubaren Kreises auch hierzulande eher US-amerikanisch geprägt. Das ist in den meisten Fällen positiv. Solche Frühstphaseninvestoren sind qua Auftrag überdurchschnittlich risikofreudig, entscheiden vielfach mehr personen- als themenbezogen und sind immens wichtige Networking-Maschinen im Sinne der zumeist noch jungen und unbekannten Startups, die sie unterstützen. Das ist auf den ersten Blick nicht signifikant anders als beispielsweise in den USA, wo vielleicht noch die Lautstärke etwas stärker ausgeprägter ist. So haben wir hierzulande aus Kapitalnehmerperspektive zumindest kulturell einen guten Nährboden. Verbesserungsbedarf besteht indes bei staatlichen Incentivierungsmodellen und Programmen zur Stärkung des im internationalen Vergleich schwachen Wagniskapitalstandorts Deutschland.

Visionsblog.info: Dieselverbote und Luftreinheitspläne verschiedener Großstädte verändern mittlerweile die Art der Fortbewegung, die Infrastruktur und die Ansprüche der Menschen, die dort leben. Wird es irgendwann auch ein App geben, die auf Intermodalität setzt und z.B. „Flug/Öffentlicher Nahverkehr“ verbindet?
Gleb Tritus: Erste, ernstzunehmende Anwendungen dieser Machart gibt es bereits, so beispielsweise GoEuro oder Rome2Rio. Die technologischen Herausforderungen hinter dem Zauberwort „Intermodalität“ bleiben auch anno 2018 ein dickes Brett: Wir blicken heute mehr denn je auf eine hochgradig fragmentierte, von proprietären IT-Lösungen geprägte Anbieterlandschaft, die vielfach noch nicht einmal standardisierte Programmierschnittstellen nach Marktstandard anbietet. Gerade der Anschluss von öffentlichem Nahverkehr gestaltet sich extrem schwierig.
An diesem Punkt setzen wir gegenwärtig mit unserem Venture Yilu an, das unter anderem die Vision eines anbieterübergreifenden Marktstandards für den digitalen Anschluss von Mobilitätsdienstleistern sowie anderen Serviceprovidern entlang der Reisekette verfolgt. Ungeachtet dieser Widrigkeiten ist eine intelligente und individualisierte Vernetzung der stetig wachsenden Mobilitätslandschaft angesichts des weltweiten Bevölkerungswachstums, der zunehmenden Urbanisierung sowie immer strengerer Umweltschutzmaßgaben absolut unabdingbar.

Interview: Johanna Wenninger-Muhr

Gleb Tritus ist Serienunternehmer, Business Angel und Innovator mit Leidenschaft für E-Commerce, Content-Marketing und Travel Tech. Als Geschäftsführer baute er die Suchmaschinen-Marketing-Agentur Affaires Media, die lokale Suchmaschine Townster sowie den Shopping-Club poshposh auf. Gemeinsam mit der ProSiebenSat.1-Gruppe startete Tritus 2013 die Ticketingplattform Todaytickets, die Live-Entertainment-Veranstaltungen über mobile Endgeräte vermarktet.
Derzeit treibt er die digitale Transformation des weltweit größten Luftfahrtkonzerns Lufthansa Group. Als Geschäftsführer des Lufthansa Innovation Hubs (LIH) wurde Tritus 2017 als „Deutschlands Top 40 unter 40 in Management“ sowie 2017 und 2018 als Kopf von „Deutschlands bestem Digital-Labor“ durch das Wirtschaftsmagazin Capital ausgezeichnet. Der in Berlin, Singapur und Shenzhen ansässige Lufthansa Innovation Hub validiert digitale Geschäftsmodelle und gestaltet strategische Partnerschaften mit Startups im Reise- und Mobilitätskontext. Als Mitgründer der Initiative, die u.a. für Lufthansa, SWISS, Austrian Airlines, Eurowings und Miles & More wirkt, schlägt Gleb Tritus die Brücke zwischen dem globalen Startup-Ökösystem und dem traditionsreichen Airline-Multi aus Deutschland.

Wirtschaftsgipfel Deutschland 2018 – Ein Tag der kritischen Selbstbetrachtung

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Der „Wirtschaftsgipfel Deutschland 2018“ am 22. September in Frankfurt am Main war ein Tag der kritischen Selbstbetrachtung. Er stand unter der provokanten Fragestellung: „Deutschland im Stillstand?“ Welchen Aufholbedarf hat Deutschland im globalen Vergleich auf dem Gebiet der Digitalisierung? Vertreter aus Wirtschaft, Forschung und Politik, aber auch junge Startup-Unternehmer, wie etwa Christoph Bornschein, CEO von Torben, Lucie und die gelbe Gefahr, oder André Schwämmlein, Mitbegründer und Geschäftsführer von Flixbus, gaben sich ein Stelldichein und waren sich ziemlich einig: Deutschland muss aufholen, um nicht irgendwann von außen gesteuert zu werden!

Die Frage, ob Deutschland sich auch im Bereich Forschung und Entwicklung im Stillstand befindet, versuchte Prof. Dr. Pascale Ehrenfreund (Bild oben), die Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), so zu beantworten: „Wir brauchen in der Forschung den Blick und den Griff zu den Sternen, um aufzuholen.“ Deutschland habe weltweit anerkannte Traditionsunternehmen, sei aber wenig risikoaffin um neue Geschäftsmodelle, um Startups, vor allem in Tech-Bereichen zu gründen oder zu fördern. Außerhalb Europas sei man auf dem Gebiet der digitalen Transformation sehr „umtriebig“ und es gebe zahlreiche große Projekte. Vor allem in Teilen Asiens und in Nordamerika würden Maßnahmen ergriffen und Trends gesetzt. Dazu gebe es massive staatliche Förderung etwa in Ländern wie China. Dort flössen Milliarden Dollar Investitionen in die Erforschung Künstlicher Intelligenz. Es gebe eine 500 Milliarden Dollar-Investition in Saudi Arabien. Ein Projekt, das in den nächsten Jahren beginnen werde, sei die Zukunfts Tech Stadt NEOM mit emissionsfreiem und voll automatisiertem Verkehr. NEOM soll zudem Forschungsstandort für Biotechnologie, Nanotechnologie, Robotic und E-Mobilität werden. All das passiere außerhalb von Europa, vor allem in USA und in China. 

Man schaffe es nicht, mitzuhalten

Man habe in Deutschland und Europa großartige Forschungseinrichtungen. Das DLR sei ein Teil der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten europäischen Forschungsgemeinschaft mit 38 000 Forscherinnen und Forschern, mit guter Forschungsförderung, Deutschland habe hervorragende Universitäten und trotzdem schaffe man es nicht, mit diesem globalen Tempo wirklich mitzuhalten, sagt Professor Ehrenfreund. Die großen amerikanischen Tech-Konzerne wie Apple, Amazon oder Microsoft hätten sechs- bis zwölfmal höhere Börsenbewertungen wie deutsche Firmen. Apple sei das erste Unternehmen in der Geschichte, das diesen Markt mit einer Milliarde Dollar Marktkapitalisierung gebrochen habe. SAP sei sicher hierzulande ein innovatives neuartiges Technologieunternehmen, aber es bleibe eine Ausnahme.

Die hohe Innovationsfähigkeit in Amerika, die Rekrutierung von jungen Leuten von Top-Universitäten und sehr viel Flexibilität zeichne diese Firmen aus. Natürlich gebe es hierzulande bewährtes Denken und Stabilität, aber Deutschland brauche einen schnelleren flexibleren, risikoaffineren Weg und einen unkonventionellen Ansatz, so einen wie USA oder China ihn haben. Es müssten Freiräume geschaffen werden, um neue digitale Geschäftsmodelle aufzubauen. Diese müssen entsprechend gefördert werden. Man müsse die Risiko-Aversion, die in Deutschland und auch in Europa weit verbreitet sei, überwinden. Vor allem aber brauche man Fachkräfte aus den MINT(Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) -Fächern. Deutschland fehlten über 300 000 Fachkräfte in den MINT-Fächern. Nur 1,4 Prozent der MINT-Absolventen würden im Jahr 2030 laut OECD-Studie aus Deutschland kommen, aber 40 Prozent aus China. Den Studierenden hier müssten diese Fächer, diese Studienrichtungen wieder schmackhaft gemacht werden. Dazu sei jeder in der Wirtschaft und in der Forschung angehalten, damit diese Lücke geschlossen werden könne. So der Appell Ehrenfreunds. Auch im Bereich wissenschaftlicher Publikationen zum Thema Künstliche Intelligenz entwickele sich China enorm. Auch hier müsse Deutschland sich nach vorne bewegen, denn die Publikations-Rate sei seit einigen Jahren gleichbleibend.

Von außen gesteuert? Eine böse Zukunftsvision?

Die Vorreiterrollen von USA und China seien nicht mehr zu übersehen. China habe vor allem in UNICORNS investiert, in Firmen, die in kürzester Zeit die 1 Milliarde Dollar -Umsatzgrenze erreichen. Es gebe etwa 15 UNICORNS , davon 6 in den USA und 9 in China, die meisten im Bereich High-Tec und Big Tec. Wenn Europa und Deutschland hier nicht aufhole, könnte es passieren, dass unser Lebensstil, unsere Technologien von außen gesteuert werden. Wie man damit umgehe, das müsste man sich überlegen.

Bei der Digitalisierung, demografischen Entwicklung und Globalisierung müsse man aber europäisch handeln und man müsse international zusammenarbeiten. Dies bedeute interdisziplinär in der Forschung, beim Klimaschutz, beim demografischen Wandel, bei der Urbanisierung neue Lösungen zu finden. Das gehe nicht mehr nur mit einer Forschungsrichtung, sondern man müsse global zusammenarbeiten. Beim DLR fokussiere man sich auf die globalen Herausforderungen, auf Nachhaltigkeit. Emissionsarme Mobilität stehe im Vordergrund, nicht nur auf der Straße, auch in der Luft. Man betreibe die größte zivile Forschungsflotte Europas, um in der Atmosphäre zu messen und alternative Treibstoffe zu testen, gemeinsam mit der NASA. Robotic sei ein ganz wichtiges Thema. Man müsse aber noch mehr Forschung wagen und risikoreicher entlang der gesellschaftlichen und globalen Herausforderungen weiterarbeiten.

Man brauche neue Geschäfts- und Förderungsmodelle und sich dem Schreckensbild Stillstand entgegensetzen. Die Deutschen seien Pioniere im Bereich der Erdbeobachtung via Satellit, Pioniere in der Nanotechnologie und können maßgeblich dazu beitragen, die weitere Erderwärmung zu beschränken. Die Erdbeobachtung liefere dazu wertvolle Daten für den Umweltschutz, für die Sicherheit und den Katastrophenschutz, für die Landwirtschaft, für die Atmosphärenforschung sowie für die Küsten- und Meeresforschung.

Wer die Machtfrage nicht beantwortet, kann die Sachfragen nicht lösen

Die Politik ist in jedem Fall gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen auf nationaler und auf europäischer Ebene. Dass das nicht immer leicht ist, versuchte Roland Koch, ehemaliger hessischer Ministerpräsident, derzeit Aufsichtsratsvorsitzender der UBS-Europe SE und Aufsichtsratsmitglied der Vodafone Deutschland, der RTL-Moderatorin und dem Publikum so zu erklären. „Wer die Machtfrage nicht beantwortet, kann die Sachfragen nicht lösen“. Erst müsse in der Politik also die Machtfrage geklärt sein, erst danach könne man sich um die Sache kümmern. Deutschland befinde sich in einem Umbruch. Ein Großteil der Bevölkerung wolle diese Regierung nicht. Außerdem sagt Koch: „Wir sind ein vorsichtiges Volk“ und ergänzt provokant, dass die mutigen Europäer vor langer Zeit ausgewandert seien, um in der neuen Welt ihr Glück zu versuchen. Die Nachkommen vieler Auswanderer seien in Silicon Valley. Das gesellschaftliche System in Deutschland sei darauf ausgelegt, Unternehmungen vorher zu überlegen, ob sie gut gehen und welche Risiken sie bergen. Das habe durchaus Vorteile. Aber Europa und auch Deutschland seien an einem gefährlichen Punkt angelangt. Weil es nicht mehr so sehr um die Hardware, sondern um Softwaretechnologie gehe. Die große Gefahr zudem sei der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands. Die Auftragsbücher seien voll, vor allem beim Mittelstand. Dieser habe man mehr Sorge, die Aufträge abzuarbeiten, als sich um IT und Entwicklungen, noch dazu um digitale, zu kümmern. Diese, so meint auch Koch, passierten derzeit größtenteils außerhalb Deutschlands und Europas und das sei brandgefährlich. Das der Öffentlichkeit zu vermitteln, sei derzeit die ganz große und wichtige Aufgabe.

Ob es in der Politik an Stars fehle, die die große Bedeutung der digitalen Transformation und den Aufholbedarf lautstark proklamieren und  ob ein Steve Jobs in der Politik gut tun würde, war eine Frage aus dem Publikum. „Ja“, sagt Koch, „würde es“. Doch man müsse sich aber die Frage stellen, wieviel Provokation eine demokratische Gesellschaft vertrage. Jens Spahn halte er für derlei Art von Provokation fähig. Aufhorchen ließ das Statement von Dr. Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der LINKEN. Bei 90 Prozent der Dinge, über die im Bundestag abgestimmt werde, hätten die Abgeordneten gar keine Sachkenntnis,  um darüber entscheiden zu können. Das sei normal. Man verlasse sich auf das, was einem die Experten raten. Welche Experten fragt man sich, beraten die Politik auf dem Gebiet Digitalisierung? Achim Berg, Präsident Bitcom e.V. sagt, dass man schnellstens drei wichtige Themen anpacken müsse: die digitale Bildung,  die digitale Verwaltung und die digitale Infrastruktur. 70 bis 100 Milliarden Euro etwa müssten investiert werden, um überall in Deutschland 5 G zu haben. Dazu seien 200 000 Mobilfunkstandorte erforderlich. Derzeit gebe es 25 000. Man brauche Glasfaser und Breitband überall in Deutschland.

Das Handelsblatt nannte ihn einmal ´Digitalisierungsflüsterer`. Er  betreibt eine Agentur für digitale Geschäftsmodelle, berät DAX-Unternehmen und Ministerien, hat unter anderem beim Aufbau des Lufthansa Innovation Hub in Berlin mitgewirkt: Christoph Bornschein(Bildmittte). Auch er und André Schwämmlein, Co-Gründer und Geschäftsführer FlixBus, der seit 2012 mit seinen Fernreisebussen Deutschland erobert, mit Flix-Mobility die Deutsche Bahn unter Druck setzen will und auf Expansionskurs in den USA ist, warteten in ihren Antworten auf die Fragen von Moderatorin Caroline Rudelt, mit interessanten Thesen auf. Deutschland stehe auf dem Innovationsindex auf Platz 9 von 26 Ländern. Das sei gar nicht so schlecht, aber gefühlt laufe derzeit sehr viel an Entwicklung an Deutschland vorbei. Es werde viel zu wenig gehandelt, beklagt Christoph Bornschein. Jede der 30 DAX-Firmen bedeute für einen internationalen Investor nur eine Ergänzungsinvestition.  Man brauche eine viel breitere volkswirtschaftliche Diskussion, was passiert, wenn die Chinesen die europäische Kultur verstanden haben und Europa als erweiterten Binnenmarkt betrachten. Man müsse Plattformen bauen mit eigenen Werten. In dem Moment, in dem man Plattformen der Amerikaner oder Chinesen nutze, entscheide man sich auch deren Werte zu akzeptieren. Wenn man an europäische Werte glaube und an ihre Wettbewerbsfähigkeit, müsse man nationale und europäische Startups fördern. Der Staat, so Schwämmlein, könne und solle Regulierung schaffen. Wenn etwas schief laufe, könne man immer noch korrigieren, das sei vollkommen ok. Es sei aber in jedem Fall leichter im Mittelstand in die nächste Welle zu transferieren, als für Großkonzerne. Bornschein beklagt den Verlust von Fortschrittsoptimismus  in Deutschland. Man habe Probleme Fachärzte auf Land zu bringen und verbiete gleichzeitig die Telemedizin. Es sei zu verdammen, wenn jemand nicht will, dass die Zukunft kommt. Es müsse heißen: Fortschritt ist gut für uns und wird gut für uns sein.

Was die Zukunft anbelange, sagt Bornschein, müssten die Deutschen so schnell wie möglich in innovative Unternehmen investieren, die Kapitalertragssteuer müsste gesenkt werden und das Bildungssystem so schnell wie möglich angepasst. Wenn das innerhalb einer Legislaturperiode passiere, könnte es funktionieren. Wenn nicht, werde es düster. Dann werden kluge Köpfe und innovative Unternehmen abwandern. Schwämmlein blickt teils pessimistisch, teils optimistisch in die Zukunft. Er glaubt, man werde unglaublich spannende Zeiten erleben werden und eine bessere Zukunft als man sich das vorstellen kann. Man schreibe derzeit die Zukunft der Mobilität. Pessimistisch ist er, weil er derzeit wenig Einheit und Zusammenhalt in  Europa sieht und der Fokus auf viele andere Dinge gerichtet sei, nicht auf die digitale Transformaion. Über allem stehe – und das sei das Allerwichtigste: „Wir Europäer können nur stark sein, wenn wir zusammenhalten.“

Text und Fotos: Johanna Wenninger-Muhr

Nach den Sternen suchen und greifen, um aufzuholen

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Prof. Dr. Pascale Ehrenfreund, CEO des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR)/Foto: Johanna Wenninger-Muhr

Im Rahmen des „Wirtschaftsgipfel Deutschland 2018“ am 22. September in Frankfurt am Main, dem Tag der kritischen Selbstreflexion mit der provokanten Frage „Deutschland im Stillstand?“ stellte sich auch die Frage, ob Deutschland auch auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung stehen geblieben sei. Die Antwort von Prof. Dr. Pascale Ehrenfreund, CEO des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR): „In der Forschung müssen wir nach den Sternen suchen und greifen, um aufzuholen.“ Visionsblog.info wollte mehr dazu erfahren und fragte Prof. Dr. Pascale Ehrenfreund.

Visionsblog.info: Frau Professor Ehrenfreund, „nach den Sternen suchen und greifen, um aufzuholen“, können Sie das konkretisieren?

Prof. Dr. Pascale Ehrenfreund: Ja. Der „Griff zu den Sternen“ bedeutet für die Forschung die großen Projekte der digitalen Transformation in Angriff zu nehmen. Bisher – das kann jeder beobachten – spielen sich diese Prozesse  im Wesentlichen außerhalb Europas ab. Google, Amazon, Facebook oder Apple sind nun mal keine europäischen Erfindungen. Trotz starker Unternehmen, großartiger Forschungseinrichtungen und hervorragender Universitäten hierzulande schaffen wir es bisher nicht, mit dem globalen Tempo im Rennen um Innovationen in diesem Bereich mitzuhalten. Das DLR hat dafür in seiner Strategie 2030 die Digitalisierung als Querschnittsbereich seiner Forschung definiert. Das bedeutet, dass wir hier einen interdisziplinären Ansatz wählen und die Einzelaktivitäten zu einem Ganzen zusammen führen, um den maximalen Nutzen zu erzeugen.

Visionsblog.info: Auch Forschungseinrichtungen wie Europas größte Forschungsgemeinschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft mit 38 000 Forscherinnen und Forschern, schaffen es nicht, mit dem globalen Tempo Schritt zu halten. Woran liegt das?

Prof. Dr. Pascale Ehrenfreund: So pauschal möchte ich dem nicht zustimmen. Die Mitglieder der HGF betreiben jeder für sich einzigartige Forschungsarbeiten, die den globalen Vergleich nicht zu scheuen brauchen. Doch dürfen wir hier nicht national denken, sondern müssen uns der europäischen Ebene widmen. Es gibt sicherlich einen ganzen Strauß von Ursachen für die Stagnation in Europa. Europa ist sehr heterogen aufgestellt und möglicherweise in seiner Mentalität eher bürokratisch, prozessorientiert und nicht so risikobereit wie etwa die USA. Das macht langsamer. Außerdem  ist es ein Erfolgshemmnis für die Innovationsforschung, dass wir nicht genug Nachwuchs in den MINT-Fächern in Deutschland und Europa haben. Hinzu kommen die geringe Risikobereitschaft bei der Forschung und der Forschungsförderung, der teils zu langsame Tech-Transfer und die geringen Mengen an Risikokapital und Anreize für Investoren, zum Beispiel die Bereitschaft öffentliche Forschungsförderung und privates Kapital miteinander zu verknüpfen.

Visionsblog.info: Woran liegt es, dass die Publikationsrate der Arbeiten über die Künstliche Intelligenz hierzulande stagniert? In China, sagten Sie, flössen Milliarden in die KI-Erforschung. Liegt es am Geld?

Prof. Dr. Pascale Ehrenfreund: Die innovativsten Ideen werden heute von der Privatwirtschaft angetrieben und finanziert, wie etwa bei Tesla, Alphabet, Amazon oder auch Alibaba in China. Schaut man aber genauer hin, wird deutlich, dass immer wieder die grundlegenden Technologien für Innovationen auf Basis staatlicher Förderung entwickelt werden. Schauen sie sich zum Beispiel das iPhone an. Hinter den einzelnen Schlüsseltechnologien, die diese „smart“ machen, stehen letztlich ausschließlich große öffentlich finanzierte Forschungseinrichtungen (CERN, NSF, NIH, DARPA etc.) oder andere öffentlich finanzierte Forschung (DoD, DoH u.a.). „In fact, there is not a single key technology behind the iPhone that has not been state-funded”, sagt die Autorin Mariana Mazzucato in ihrem Buch “The Entrpreneurial State”. Hier wird deutlich, dass die Politik gefordert ist, noch viel mutiger Schwerpunkte zu setzen, Innovationsarbeit entlang der gesellschaftlichen Herausforderungen zu definieren und zu fördern. Da reicht das bisherige Förderinstrumentarium nicht unbedingt aus. Auf diese Weise bekommen wir auch mehr wissenschaftliche Publikationen und das dort präsentierte Wissen erzeugt die notwendigen Innovationen.

Visionsblog.info: Wird der Nachwuchs, werden die Kinder, die Jugendlichen in Deutschland und Europa, zu wenig für die Forschung begeistert?

 Prof. Dr. Pascale Ehrenfreund: Als Forschungseinrichtung sehen wir es als eine unserer grundlegenden Aufgaben an, bereits Kindern und Jugendlichen die Faszination der Forschung zu vermitteln. In den vom DLR in Deutschland betriebenen 13 School_Labs absolvieren Jahr für Jahr tausende Nachwuchsforscher erlebnisreiche Stunden und Tage. Zum Teil sind diese Einrichtungen auf Monate hin ausgebucht. Gerade 2018, mit der Horizons-Mission von Alexander Gerst und unsere, Asteroidenlander Mascot, ist ein wachsendes Interesse an der Raumfahrt zu spüren. So haben in den letzten Wochen mehr als 22 000 Kinder unsere Raumfahrtshow besucht.
Ich würde mir sehr wünschen, dass es noch viel mehr an solchen Aktivitäten geben würde, um die Nachwuchsarbeit im MINT-Bereich auf eine breitere Basis zu stellen.

Visionsblog.info: Man müsse zusammenarbeiten in der demografischen Herausforderung. Dies bedeute interdisziplinär in der Forschung, beim Klimaschutz, beim demografischen Wandel, bei der Urbanisierung neue Lösungen finden. Mit welchen Einrichtungen arbeiten Sie global zusammen?

Prof. Dr. Pascale Ehrenfreund: Nationale und internationale Kooperation sind für Wissenschaftler essentiell. Oft sind die finanziellen Aufwendungen für einzelne Projekte und Missionen so hoch, dass diese von einer einzelnen Nation nicht getragen werden können. Das DLR kooperiert weltweit mit über 400 Partnern, d.h. mit anderen Forschungseinrichtungen, Universitäten, Industrieunternehmen und staatlichen Institutionen. Gerade in der Luft- und Raumfahrt gibt es einen hohen Grad an spezialisiertem Wissen, aber auch in den Bereichen Energie und Verkehr arbeiten wir weltweit mit Einrichtungen zusammen um innovative und zukunftsgerichtete Lösungen zu entwickeln. Um nur einige Beispiele zu nennen: Erst kürzlich haben wir einen Kooperationsvertrag mit der Universität Navarra in Spanien geschlossen mit dem Ziel, gemeinsam Lösungen für aktuelle Verkehrsprobleme zu finden sowie Innovationen für die Zukunft von Mobilität und Verkehr in Europa zu entwickeln. Mit der University of British Columbia und der Universität Augsburg haben wir wiederum eine Kooperation zu neuen Fahrzeugstrukturen vereinbart. Zudem ist das DLR Mitglied der Internationalen Charta für Weltraum und Naturkatastrophen, die weltraumgestützte Daten und Informationen zur Unterstützung von Hilfsmaßnahmen in Katastrophenfällen zur Verfügung zu stellt. Und schließlich, in der Weltraumforschung, ist die Internationale Raumstation ISS das beste Beispiel, was man erreichen kann, wenn man es nur gemeinsam will. Nur in einer globalen Kooperation wird es gelingen, die globalen Herausforderungen zu bewältigen.

Interview: Johanna Wenninger-Muhr

DLR unterstützt zivile Luftfahrt mit Informationen zum Weltraumwetter

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Das DLR unterstützt die Luftfahrt-Organisation ICAO mit Informationen über den aktuellen Zustand der Ionosphäre/Foto: DLR

Sonnenstürme oder Strahlungseruptionen können Störungen hervorrufen, die technische Systeme im Erdorbit beeinflussen oder sogar beschädigen. Je nach Ausmaß kann dies den Ausfall von Navigations- und Kommunikationssystemen bedeuten. Dies kann wiederum den Betrieb in der zivilen Luftfahrt beeinträchtigen.

Die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) hat drei globale Weltraumwetterdienstzentren benannt, die die Luftfahrt mit Beobachtungen und Prognosen über den erdnahen Weltraum und die atmosphärischen Bedingungen bei starken Sonnenstürmen unterstützen werden. Eines der Zentren wird vom europäischen PECASUS-Konsortium (Pan-European Consortium for Aviation Space Weather User Services) unter der Leitung des Finnish Meteorological Institute (FMI) aufgebaut. Mit seiner langjährigen Erfahrung in der Beobachtung und Modellierung des ionosphärischen Plasmas wird das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Daten über den aktuellen Zustand der Ionosphäre bereitstellen. Diese Daten werden in PECASUS verwendet, um der Luftfahrt Informationen zu möglichen Störungen der Satellitennavigation und -kommunikation bereitzustellen.

„Wir freuen uns ganz besonders, dass das DLR mit seinen Kompetenzen dazu beitragen kann, einen globalen Weltraumwetter-Dienst zur Unterstützung der Luftfahrt zu entwickeln“, sagt der DLR-Projektverantwortliche Dr. Jens Berdermann. Er arbeitet am Institut für Kommunikation und Navigation und betreut die Entwicklung des Ionosphere Monitoring and Prediction Centers (IMPC) des DLR in Neustrelitz. Dort forschen Experten an den Ursachen und Auswirkungen des sogenannten Weltraumwetters und liefern spezifische Informationen über den aktuellen Zustand der Ionosphäre.

Seit der Eröffnung der nördlichen Polrouten Ende des 20. Jahrhunderts hat die Beeinflussung des Luftverkehrs durch Weltraumwetter zugenommen. Neben der Beeinträchtigung von Navigations- und Kommunikationsinstrumenten können starke Sonnenstürme die Strahlungswerte in der Atmosphäre in Flughöhe erhöhen. Dies belastet die Passagiere in Verkehrsflugzeugen zusätzlich.

Die Luftfahrtorganisation ICAO hat auf das erhöhte Risiko reagiert, indem sie Warnhinweise zu Weltraumwettergefahren in ihre Luftfahrtvorschriften aufgenommen hat. Diese Hinweise enthalten Informationen zu den vorherrschenden und zukünftigen Bedingungen für die nächsten 24 Stunden und sollen Piloten im „Briefing“ sowie den Flugverkehrsmanagementzentren in Echtzeit zur Verfügung gestellt werden. Das PECASUS Konsortium, unter finnischer Leitung und mit Beteiligung des DLR, hat nun begonnen, der ICAO diese Informationen bereitzustellen. „Das DLR ist prädestiniert hierzu einen entscheidenen Beitrag zu leisten, da es neben der erwähnten Expertise auch an der Gestaltung der Navigationsverfahren mitwirkt. Aus der Kombination dieser beiden Kompetenzen, lassen sich sowohl die Inhalte der Informationen als auch die Reaktionen darauf in bestmöglicher Weise aufeinander abstimmen“, sagt Prof. Christoph Günther, Direktor des Instituts für Kommunikation und Navigation.

Das PECASUS-Konsortium

Das Paneuropäische Konsortium für Luftfahrtwetterdienste (PECASUS) bietet eine umfassende technische und wissenschaftliche Expertise durch die Kombination von führenden europäischen Weltraumwetterinstitutionen aus den Ländern: Finnland (Koordinator), Großbritannien, Belgien, Deutschland, Italien, Niederlande, Polen, Österreich und Zypern. Das PECASUS-Konsortium wurde im Februar 2018 von Experten für Weltraumwetter für operative Dienste zertifiziert.

Zukünftiges Institut für Weltraumwetter am DLR-Standort Neustrelitz

Die komplexe Überwachung und Erforschung des Weltraumwetters in seiner Erscheinungsvielfalt und mit seinen Auswirkungen, beispielsweise in der Satellitentechnologie, der Luftfahrt, der Telekommunikation und Navigation ist eine wichtige nationale Aufgabe. Dafür wird am Standort Neustrelitz auf Basis bestehender Strukturen ein neues Institut für Weltraumwetter aufgebaut. Ziel des Institutes ist es, Voraussetzungen zu schaffen, um Menschen und deren technischen Einrichtungen vor den Auswirkungen des Weltraumwetters zu schützen. Hierfür entwickeln die Fachleute Methoden und Instrumente, um das Weltraumwetter und dessen Auswirkungen auf der Erde und dem erdnahen Weltraum zu verstehen, zu modellieren und vorherzusagen. Mit den Ergebnissen entwickeln sie Verfahren, um verschiedenste Korrekturdaten, Zustandsinformationen und Warnungen zeitnah für die Nutzer bereitstellen zu können. Das neue Institut soll unter anderem dazu beitragen, Weltraumwetterprodukte und -services für die Luftfahrt nach den jeweils aktuellen Bedürfnissen weiterzuentwickeln und damit die ICAO zuverlässig zu unterstützen.

Quelle: DLR

Die Zukunft der Luftstraßen

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Fliegen soll noch schneller und umweltverträglicher werden und es soll in Zukunft vermehrt auf direkten Strecken geflogen und Umwege abgeschafft werden. In Salzburg finden seit Montag die SESAR INNOVATION DAYS, ein EU-Kongress von Luftfahrt-Experten aus aller Welt, statt.

Etwa 300 Fachleute aus Luftfahrt, Navigation, Computertechnik, Naturwissenschaften und Ingenieurwesen nehmen an dieser internationalen Tagung, an den  „SESAR Innovation Days“ teil. Sie kommen aus vielen Teilen Europas, aber auch aus den USA, Südostasien und dem arabischen Raum. SESAR steht für  „Single European Sky ATM Research“.

SID 2018 in Salzburg/Foto: sesarju

Referent Olaf Dlugi, Vorsitzender des Industry Consultation Body, einer Denkfabrik, die die Europäische Kommission über Möglichkeiten und Zukunft des Flugverkehrs berät, war viele Jahre selbst Berufspilot. Schon lange arbeite man an Verbesserungen bei den internationalen Flugrouten, sagt  Dlugi: „Bisher gibt es so genannte Luftstraßen, auf denen sich die Flieger zwischen festen Kreuzungspunkten bewegen müssen. Nun wird in Zukunft dieses starre System abgeschafft, und ein Flieger kann wirklich direkt auf dem jeweiligen Großkreis von A nach B fliegen.“ Ein „Großkreis“ beschreibt in der Mathematik bzw. Geometrie die kürzest mögliche Verbindung zwischen zwei Punkten auf der Oberfläche einer Kugel, im Fall der Fliegerei auf der Erde.

Neue Strategien für den weniger Treibstoffverbrauch und Umweltschutz

Carl-Herbert Rokitansky,  Professor für Computerwissenschaft und Experte für Luftfahrt an der Universität Salzburg: „Es geht auch um Verbesserungen im Verkehrsfluss, um Verspätungen zu reduzieren. Dazu soll es entscheidende Beiträge zur Verkürzung von Flugrouten geben, damit weniger Treibstoff verbraucht und der Umweltschutz noch verstärkt wird.“

Der internationale Luftfahrtkongress SESAR INNOVATION DAYS findet dieses Jahr in Salzburg statt, weil Österreich derzeit den EU-Vorsitz inne hat. jwm


Kommunikation zwischen Piloten und Fluglotsen: Steinzeit?

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KI übernimmt in Zukunft die Arbeit der Fluglotsen prophezeit Carl-Herbert Rokitansky von der Universität Salzburg/Foto: Flickr

Der Computerwissenschaftler Carl-Herbert Rokitansky spricht von ,Steinzeit´, wenn man sich anschaue, dass die Kommunikation von Fluglotsen und Piloten heute noch immer analog erfolgt. Rokitansky, der als junger Forscher im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt an der Entwicklung des Internets mitwirkte, leitet heute, nach Mitarbeit bei der Entwicklung von Mobitfunknetzen und beim Aufbau der automatischen LKW-Mautsysteme auf Autobahnen, an der Universtiät Salzburg die ,Aerospace Research Group´.

Die Aerospace Research Group der UNI Salzburg ist ein international hoch angesehenes Kompetenzzentrum für den Flugverkehr. Zu den Kooperationspartnern zählen Eurocontrol, die Europäische Raumfahrtbehörde ESA, viele nationale Flugsicherungen und Fluggesellschaften, wie Lufthansa, AUA, Air France/KLM oder British Airways. Nicht zuletzt arbeitet die Aerospace Research Group mit Fraport oder auch dem Salzburger Flughafen zusammen. Mit dem Flugverkehrssimulator NAVISIM  könne man den weltweiten Flugverkehr simulieren und zwar in allen Phasen des Fluges. Man beschäftigt u.a. sich damit wie CO2-Belastungen gesenkt und Flugrouten und komplexe Abläufe auf und rund um Flughäfen optimiert werden können.

Im europäischen Luftraum sind derzeit innerhalb von 24 Stunden insgesamt rund 37 000 Flugzeuge (weltweit ca. 100 000) unterwegs. In 2040, davon gehen die derzeitigen Prognosen aus, werden in Europa innerhalb eines Tages rund 80 000 Flugzeuge starten und landen. Also zwei bis dreimal so viel wie gegenwärtig.

Rokitansky spricht von Steinzeit, was die heutige Kommunikation zwischen Piloten und Fluglotsen betrifft. Die Systeme die sein Kompentenzzentrum entwickle, seien vollkommen digital.  Die Freigabe für einen Flug werde in Zukunft vollkommen digital ablaufen und werde den Flugverkehr noch sicherer machen. Sprachkommunikation werde es, so Rokitansky, nur in Notfällen geben.

An- und Abflugrouten besser organisieren

Der Forschungsschwerpunkt der Group liege aber derzeit woanders. Der Salzburger Forscher simuliert derzeit mit seinen Mitarbeitern am Beispiel des Frankfurter Flughafens, wie man die Anflugrouten besser organsieren kann. Mit mathematischen Modellen könne man höchst genau berechnen, wann ein Flugzeug aus seiner Warteschleife heraus soll. Dies von der Flugsicherung zu steuern, sei zum Beispiel bei Unwettern, Nebel oder starkem Wind äußerst schwierig. Die Künstliche Intelligenz sei hier in der Lage, die Arbeit der Fluglotsen vollständig zu übernehmen und alle An- und Abflüge sowie den gesamten Verkehr von zu den Start- und Landepisten zu organsisieren und vor allem zu optimieren. Gleichzeitig könne so auch die Umweltbelastung um 30 Prozent verringert werden.

Besonders beeindruckend seien die Rechenleistungen des Flugverkehrssimulators auch bei Gewittern: gefüttert mit allen verfügbaren Wetterdaten, sei der Simulator Piloten und Fluglosten haushoch überlegen. Ein Versuch am Beispiel Frankfurt zeige, dass die Flugzeuge im Realbetrieb bei den Anflügen während eines Unwetters deutlich mehr Kilometer zurücklegen als jene Flieger, die vom Computer gesteuert wurden. Um weniger als 43 Prozent, wie Rokitansky sagt. Darüber hinaus seien, was sicherheitstechnisch nicht optimal sei, real acht Flugzeuge unter das Gewitter geflogen. Gelenkt durch den Simulator sei jedes Flugzeug am Gewitter vorbei auf die Landebahn gekommen.

In jedem Fall macht die Arbeit von Rokitansky klar, dass die Arbeit der Fluglotsen in Zukunft Schritt für Schritt von Künstlicher Intelligenz abgelöst wird.

Quellen: Aerospace Research Group der UNI Salzburg, Salzburger Nachrichten

DLR erfindet neue elektrische Enteisungstechnologie

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Flugzeugenteisung auf dem Frankfurter Flughafen/Foto: Fraport

Klirrende Kälte macht Flugzeugen zu schaffen. Wie beim Auto können beim Flugzeug Cockpitscheiben oder Messinstrumente vereisen. Auch die Flügel zählen bei Flugzeugen zu den besonders kritischen Stellen, bei denen Vereisungen zu erheblichen aerodynamischen Nachteilen führen können. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat eine Lösung gefunden. Eine neue elektrische Enteisungstechnologie mittels Carbonfasern kann das Eis effizient abschmelzen oder sogar von vornherein verhindern.

Zukünftige treibstoffsparende und widerstandsarme Flugzeuge sollen mit laminar umströmten ultraglatten Tragflächen abheben. Weil aber schon geringe Eisansammlungen einen negativen Einfluss auf die Flügelumströmung und die Energieeffizienz haben, ist ein innovatives Enteisungssystem nötig.

Wie eine Scheibenheizung im Auto

„Grundsätzlich kann man sich dieses elektrische Widerstandsheizsystem wie eine Scheibenheizung im Auto vorstellen“, erklärt Alexander Pototzky vom DLR-Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik. „In der Flügelstruktur werden elektrische Leiter mit einem großen Widerstand platziert, die mit Strom beaufschlagt werden und sich dadurch erwärmen.“ Eine Flügelstruktur aus carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK), zeichne sich durch geringes Gewicht bei gleichzeitig hoher Festigkeit aus. Der Unterschied zu bereits bestehenden Enteisungssystemen: Da die Heizstruktur ebenfalls aus Carbonfasern besteht und mit der Flügelvorderkante in einem Schritt, gefertigt wird, können die an der Vorderkante auftretenden Lasten durch das Heizsystem mitabgetragen werden. Die Heizstruktur wird in einzelne beheizbare Zonen aufgeteilt, die separat angesteuert werden können und somit eine große Flexibilität bei der Enteisung bieten.

Erprobung im Enteisungsprüfstand

Das neuartige Heizsystem wurde durch Versuche im Enteisungsprüfstand der Technischen Universität Braunschweig (TU BS) im Hinblick auf seine Funktionalität und die Energieeffizienz erprobt. Der Enteisungsprüfstand der TU BS ist ein Windkanal in einer Tiefkühlkammer mit einer Wassereinspritzanlage. „Wir konnten also realistische Versuchsbedingungen wie bei einem Flug durch eine Wolke mit den Effekten der Anströmung, der niedrigen Temperatur und den in der Luft befindlichen Tropfen schaffen“, so Pototzky. Dabei kamen verschiedene Heizstrategien zum Einsatz. Das auftreffende Wasser, das sofort zu Eis gefriert, kann entweder geschmolzen oder mit mehr Energieeinsatz verdampft werden. Diese Strategie nennt sich Anti-Icing (Eisverhütung), da zu keiner Zeit Eis auf der beheizten Flügelvorderkantenfläche zugelassen wird. Um Energie zu sparen, gibt es eine alternative Strategie, das De-Icing (Enteisung), bei der ein Eisansatz auf der Flügelvorderkante erlaubt ist, solange er sich in bestimmten Grenzen befindet. Das Eis wird hier mit einem periodischen Zyklus abgeschmolzen. Während der Versuche konnte die Funktionalität dieser Heizstrategien nachgewiesen und die Energieeffizienz optimiert werden.

Quelle: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, DLR

 

Neues aus der Luftfahrtforschung

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Für 2019 sind Testflüge der nächsten Evolutionsstufe der HY4, des ersten viersitzigen Passagierflugzeugs, das mit einer Brennstoffzelle angetrieben wird, geplant./Foto: DLR

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) präsentierte am 14. Februar 2019 bei der Jahrespressekonferenz in Berlin Highlights aus seinen Forschungs- und Managementaktivitäten 2019. Die Vorstandsvorsitzende des DLR, Prof. Dr. Pascale Ehrenfreund, sprach über die besonderen Herausforderungen und Ziele für das laufende Jahr. Sie stellte zudem Forschungsarbeiten aus den Bereichen Digitalisierung und Sicherheit vor. Dazu einige Beispiele für die Zukunft der Luftfahrt.

Ehrenfreund betonte die Bedeutung der Forschung an künstlicher Intelligenz sowie Big- und Smart-Data und sagte: „Wissenschaftliche Erkenntnisse bilden das Fundament aller späteren Anwendungen“. Um  neue Technologien und Forschungsfelder zu erschließen, benötige man interdisziplinäre und bahnbrechende Forschung.

Professor Dr. Pascale Ehrenfreund/Foto: jwm

Elektrisch, unbemannt, digitalisiert – drei Attribute der aktuellen DLR-Luftfahrtforschung

Damit der Luftverkehr der Zukunft leiser und emissionsfrei werden könne, entwickeln die DLR-Luftfahrtforscher auch in diesem Jahr Konzepte für neue Antriebstechnologien weiter. Elektrische Antriebe hätten das Potenzial, zugleich lärmreduziert, energieeffizient und klimaneutral zu fliegen. Luftfahrt- und Energieforscher des DLR testeten bereits 2016 das erste viersitzige Brennstoffzellen-Flugzeug im Flug. Für 2019 seien Testflüge der nächsten Evolutionsstufe dieser Passagiermaschine geplant. Neben verschiedenen Energieträgern und Antriebstechnologien arbeiten Wissen­schaftler außerdem an neuen Betriebsmodellen und Flugzeug­konfigurationen, die zum Beispiel verteilte Antriebe am Flügel vorsehen.

Ob urbaner Gütertransport, Unterstützung bei der Katastrophenhilfe oder zukünftig Personentransport mit Air Taxis: Unbemannte Luftfahrtsysteme, sogenannte Unmanned Aereal Systems (UAS), stehen an der Schwelle, im zivilen Bereich eine große wirtschaftliche Rolle zu spielen. Um die Entwicklung neuer Technologien für den sicheren Flug, präzise Positionsbestimmung und stabile Datenverbindungen zu Bodenstationen voranzubringen, werde das DLR erstmals in Europa ein nationales Erprobungszentrum für UAVs errichten.

Ein langfristiges Ziel bei der Digitalisierung der Luftfahrt ist der virtuelle Erstflug neuer Flugzeuge/Foto: DLR

Die DLR-Luftfahrtforschung geht auch die nächsten Schritte in der Digitalisierung der Luftfahrt. Mit dem virtuellen Produkt – einem hochgenauen digitalen Abbild des realen Produkts über seinen kompletten Lebenszyklus – kann in Zukunft sowohl die Entwicklung als auch die Wartung von Luftfahrtsystemen effizienter und damit kostengünstiger werden.

Ziel des am DLR-Standort Oberpfaffenhofen geplanten Galileo-Kompetenzzentrums (Galileo Competence Center) sei  es, neue Konzepte und Technologien für die nächste Generation von globalen Navigationssystemen zu entwickeln. Dort werden Ideen im Labor getestet, zu Prototypen entwickelt und als sogenannte Technologiedemonstrationen validiert. Die Arbeit der Wissenschaftler soll dazu beitragen, das System Galileo gezielt weiterzuentwickeln und seinen Weg in neue Anwendungen zu ebnen.

Die Zukunft des Verkehrs ist automatisiert und vernetzt

Digitalisierung ist eine wesentliche Schlüsseltechnologie, um die Mobilität von Menschen und Gütern sicherer, effizienter, komfortabler und umweltfreundlicher zu gestalten. Der Verkehr der Zukunft werde geprägt sein durch die Automatisierung von Verkehrsträgern und Infrastrukturen sowie von ihrer Vernetzung untereinander. Damit neue Technologien wie Automatisierung und Vernetzung als Teil von neuen Mobilitätskonzepten wirksam werden können, ist das Wissen über Mobilitätsverhalten grundlegend. Hier werden Szenarien identifiziert, in denen Automatisierung und Vernetzung sowie andere technologische und betriebliche Maßnahmen effektiv eingesetzt werden können. Noch vor der Einführung können auf diesem Wege denkbare Maßnahmen nach verschiedenen Kriterien bewertet werden, zum Beispiel hinsichtlich ihrer Umwelteffekte, ihrer Auswirkungen auf den Verkehrsfluss und hinsichtlich der Akzeptanz der Nutzer.

Mit dem MovingLab nimmt das DLR 2019 eine Forschungsinfrastruktur in Betrieb, mit der Daten freiwilliger Nutzer – statt wie bisher per Fragebogen – digital per Smartphone-App oder GPS-Logger erhoben werden. Über die Aufzeichnung von Bewegungsdaten werden die wesentlichen Merkmale von Wegen, wie die Start- und Endzeit, der genaue Routenverlauf und die etappengenaue Bestimmung des genutzten Verkehrsmittels automatisch bestimmt. Auf Grundlage dieser Daten können gänzlich neue Mobilitätskonzepte entwickelt werden, die dem Bedarf der Menschen entsprechen – auch unter Nutzung von Automatisierung und Vernetzung. Hier eine Verbindung zum Verkehrsmittel Flugzeug herzustellen, wäre sicherlich eine spannende Sache. 

Das Zukunftsthema Künstliche Intelligenz (KI)

KI, so Professor Ehrenfreund, spiele auch in vielen weiteren Forschungsbereichen des DLR eine immer stärkere Rolle. Ein Beispiel aus der Raumfahrt, das aber auch auf der Erde zum Einsatz kommen kann, sei der humanoide Roboter Agile Justin des DLR. Im Zentrum der KI-Forschung stehe hierbei das Lernen als das Grundprinzip autonomer Systeme.

Roboter Agile Justin des DLR/Foto: DLR

Um selbständig eine Strategie für das Ausführen von Aufgaben zu entwickeln und entsprechend in einer komplexen Umgebungen zu agieren, würden Methoden des Deep Learnings sowie des Deep Reinforcements eingesetzt, bei dem Verhalten auf Basis von Erhalt oder Ausbleiben einer Belohnung gelernt wird. Justins Grundfertigkeiten kämen der menschlichen Vielseitigkeit sehr nahe. So habe  er verschiedene Aufgaben erfolgreich ausgeführt, etwa das geschickte „Aufbauen“ einer Gerüststruktur, das hochdynamische Fangen von zugeworfenen Bällen oder – sehr feinfühlig – das Erkennen eines Materials durch das Streichen über die Oberfläche mit dem Finger. Intelligente Roboter werden in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Weltraum- und Planetenexploration und auf der Erde beispielsweise für die Pflegeunterstützung von Personen im Alter oder mit körperlichen Beeinträchtigungen spielen.

Quelle: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Mehrere Flughäfen gleichzeitig aus der Ferne steuern – ein unheimliches Szenario?

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In den Versuchen bewältigte jeweils ein Lotse den Verkehr auf bis zu drei Flugplätzen gleichzeitig/Foto: DLR

Ob und unter welchen Bedingungen Fluglotsen mehr als einen Flughafen gleichzeitig bedienen können, wirft für Forscher und Industrie noch zahlreiche technische und auch systemergonomische Fragen auf. Seit 2016 forschen 37 internationale Partner unter Leitung des Braunschweiger DLR-Instituts für Flugführung im Rahmen des EU-Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 an Lösungen.

Von  November 2017 bis Dezember 2018 wurden vier Simulationsversuche im DLR Remote Tower Lab in Braunschweig durchgeführt. In den Versuchen bewältigte jeweils ein Lotse den Verkehr auf bis zu drei Flugplätzen gleichzeitig.

Seit der Erfindung des Remote Tower-Konzepts durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Jahr 2002 hat das Konzept viele Entwicklungsschritte gemacht und wird mittlerweile bei ersten kleinen Flughäfen in Schweden und Deutschland für die Überwachung aus der Ferne eingesetzt. Jetzt haben Wissenschaftler des DLR gemeinsam mit Partnern Simulationsversuche durchgeführt, um herauszufinden, wie ein Fluglotse nicht nur einen, sondern mehrere Flughäfen aus der Ferne betreut. Laut Jörn Jakobi, DLR-Projektkoordinator des europäischen Forschungsprojekts ‘PJ05 Remote Tower for Multiple Airports‘ hätten die jüngsten Ergebnisse gezeigt, dass ‘Multiple‘ in naher Zukunft zu einem tragfähigen Konzept werden kann. Die Forschung eröffnet den Flugsicherungen den Weg zu einem Paradigmenwechsel, bei dem die Flugsicherung an Flughäfen entkoppelt vom Ort und von konventionellen Turmgebäuden stattfinden kann.

Mehr als einen Flughafen gleichzeitig steuern

Die Fernüberwachung eines kleinen Flughafens könne so, ist man sich sicher, mehrere Vorteile bieten. Beispielsweise reduzierten sich die Wartungs- und Betriebskosten oder schlechte Sichtbedingungen könnten durch moderne Kameratechnik kompensiert werden. Um jedoch die Vorteile des Remote-Tower-Konzepts vollständig ausschöpfen zu können, müssten Remote-Tower-Center an mehr als einen Flughafen angeschlossen sein. Dies würde eine wesentlich effizientere Zuordnung von Flughäfen zu den Fluglotsen ermöglichen. Die Lotsen arbeiten flexibel an Flughäfen, an denen Verkehr stattfindet. Bei komplexeren Verkehrssituationen könnten ein, zwei oder mehrere Lotsen einen Flughafen steuern, während in weniger intensiven Verkehrssituationen auch ein einziger Lotse für einen, zwei oder mehrere Flughäfen zuständig sein kann. Die gesammelte Überwachung mehrerer Flughäfen biete die Chance für die kleinen, kostengünstig bestehen zu können.

„split and merge“-Verfahren hilft Workload-Extrem zu vermeiden

Die Teilnehmer des Forschungsprojekts wurden mit verschiedenen Wetterszenarien, Richtungsänderungen, Start- und Landebahninspektionen und Notsituationen konfrontiert. Sie hatten Koordinierungsaufgaben mit der Anflugkontrolle, dem Wetterdienst und den Flughafenbetreibern zu erledigen. Je nach Komplexität wurden die Lotsen unterschiedlich geprüft, von unterfordert bis überlastet. Beide Workload-Extreme sollten jedoch vermieden werden. Deshalb wurde ein neues „split and merge“-Verfahren entwickelt und getestet: Die Lotsen wurden mit dem neuen Verfahren geschult, das es ihnen ermöglichte, Flughäfen zwischen verschiedenen Arbeitspositionen aufzuteilen oder zusammenzuführen. Das Feedback der Lotsen deute darauf hin, dass dieses Verfahren ein sehr vielversprechender Kandidat ist, um Arbeitsbelastung in Unter- oder Überlastsituationen besser abzufangen. „Die Lotsen berichteten nach den Versuchen, dass sie sich schnell und einfach mit dem neuen Konzept vertraut machen konnten“, berichtet Jakobi. Sie seien während der Simulationen in keine einzige sicherheitskritische Situation geraten und seien  zuversichtlich gewesen, dass der „Multiple Remote Tower“ zukünftig eine gute Arbeitsumgebung werden könnte.

Die Erfindung des virtuellen und abgelegenen ,Remote Tower‘

Die Idee eines abgelegenen oder „virtuellen“ Turms wurde 2002 vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Rahmen eines internen Wettbewerbs um neue Technologievisionen erstmals formuliert. Die Idee wurde prämiert und 2005 der weltweit erste ferngesteuerte Tower-Prototyp vom DLR-Institut für Flugführung am Flughafen Braunschweig-Wolfsburg eingesetzt, um die technische und betriebliche Machbarkeit des Konzepts zu testen. Es folgten mehrere nationale und internationale Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Viele Flugsicherungsorga-nisationen, etwa die Schwedische Zivilluftfahrtbehörde (LFV) und die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, zeigten ihr Interesse. 2015 nahm die erste Remote Tower-Installation in Schweden ihren Betrieb auf, die den Flughafen Örnsköldsvik von Sundsvall aus steuert. Auch die DFS entschied sich für die Fernsteuerung der Flughäfen Saarbrücken, Erfurt und Dresden von einem Remote Tower Center in Leipzig aus, ein Konzept, das zunächst im Remote Tower Lab des DLR Braunschweig in einer Simulationsumgebung auf Sicherheit und Betriebsfähigkeit geprüft wurde. Die positiven Ergebnisse unterstützten dieses Konzept und seit Dezember 2018 ist mit Saarbrücken der erste von der DFS fernüberwachte Flughafen in Betrieb. Erfurt und Dresden würden in den nächsten Jahren folgen.

Das Projekt „PJ05 Remote Tower for Multiple Airports“ hat eine Laufzeit von 2016 bis 2019. Es erhält Fördermittel vom SESAR Joint Undertaking innerhalb des Programms Horizon 2020, dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation der Europäischen Union (Fördernummer 730195). Weitere Projektinformationen finden sich auf der Projekthomepage: www.remote-tower.eu

Quelle: DLR

Elektrisches Fliegen eröffnet neue Luftfahrtdimension

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Forschung und Industrie gehen der Frage nach, wie sich elektrische Flugzeugkonzepte realisieren lassen/Foto: DLR

Elektrisches Fliegen bietet ungekannte Chancen für die nachhaltige Mobilität der Zukunft. Eine wachsende Anzahl an Projekten aus Forschung und Industrie gehen der Frage nach, wie sich elektrische und damit emissionsfreie und geräuscharme Flugzeugkonzepte realisieren lassen und welche Anwendungsszenarien erfolgsversprechend sind.

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gehört zu den Vorreitern im Bereich des elektrischen Fliegens. Alle für die Elektrifizierung des Luftverkehrs notwendigen Kompetenzen kommen im DLR zusammen: Dazu gehören Batterie- und Brennstoffzellentechnologie, Know-how zu elektrischen Antrieben, die Integration alternativer Antriebssysteme ins Flugzeug ebenso wie die Flugerprobung und die Gesamtsystembewertung. Ende März tauschten sind mehr als 120 Vertreter aus Wissenschaft und Industrie zum Thema elektrisches Fliegen in Leinfelden-Echterdingen nahe Stuttgart aus. Zu den Schwerpunkten des Symposiums gehörten in diesem Jahr unter anderem Konzepte für elektrisches Fliegen, hybride Antriebssysteme, technische und Zulassungsaspekte sowie die Antriebsintegration anhand aktueller Projekte.

Emissionsfrei, kostengünstig, weniger Lärm

Elektrisches Fliegen verspricht im Wesentlichen drei Vorteile, beschreibt Dr.-Ing. Andreas Klöckner, Koordinator für Elektrisches Fliegen beim DLR: „Als erstes ist rein elektrisches Fliegen lokal emissionsfrei. Das bedeutet, das Flugzeug selbst stößt keine Schadstoffe aus. Als zweites ist zu erwarten, dass die elektrischen Antriebssysteme dank der geringeren Anzahl beweglicher Teile auch weniger Kosten bei Herstellung und Wartung verursachen. Und der dritte Vorteil: elektrische Antriebe ermöglichen komplett neue Flugzeugkonfigurationen, die den Treibstoffverbrauch und damit die Emissionen sowie die Lärmentwicklung weiter reduzieren dürften.“ Vor diesem Hintergrund rücken in naher Zukunft auch völlig neue Transportleistungen in den Bereich des Möglichen, wie beispielsweise Lufttaxis.

Flugzeuge für Kurz- und Mittelstrecken

Die Branche habe das Potenzial von elektrischem Fliegen definitiv erkannt,  fasst der DLR-Forscher Prof. Josef Kallo zusammen. Fast alle großen Hersteller von Flugzeugen, Antrieben und Turbinen seien bereits aktiv auf diesem Gebiet.  Auch die Förderer in Deutschland und Europa hätten das Potenzial erkannt, genehmigten und unterstützten diverse Vorhaben. Im Fokus stünden Projekte mit Leistungsgrößen zwischen einem und zwei Megawatt. Damit ließen sich Flugzeuge mit 20 bis 40 oder 50 Passagieren für Kurz- und Regionalstrecken realisieren. Wissenschaft und Industrie untersuchten, was mit vorhandenen Technologien möglich sei. 

Kallo selbst betreut die vom DLR genutzte Forschungsplattform HY4: Das weltweit erste viersitzige Passagierflugzeug mit einem Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb hob im Jahr 2016 zum ersten Mal ab. Aktuell rüstet das Team um Josef Kallo das Forschungsflugzeug mit einem komplett neuen Antriebssystem aus, um im Herbst 2019 zu weiteren Flügen zu starten. Der Plan ist, nach und nach die Leistungsfähigkeit der Brennstoffzelle mindestens zu verdoppeln und Wasserstoff drei Mal so effizient zu speichern.

Fluglärm – limitierender Faktor

Fluglärm wird in Zukunft einer der limitierenden Faktoren beim Flugverkehr sein. Schon heute gibt es an den meisten Flughäfen Einschränkungen, zum Beispiel in den Nachtstunden. Leise Flugzeuge beseitigen die negativen gesundheitlichen Auswirkungen von Lärm und ermöglichen es, dem weiter steigenden Mobilitätsbedarf nachzukommen. Im Flug ist die Geräuschentwicklung, unabhängig von der Antriebsart, vorwiegend aerodynamisch bedingt: Schall entsteht an den Rotoren der Propeller oder Strahltriebwerke und bei der Umströmung der Flugzeugzelle. „Elektrische Antriebe sind dabei nicht immer und von selbst leise. Trotzdem ist erhebliches Lärmminderungspotenzial denkbar – dazu ist in den nächsten Jahren intensive Forschungsarbeit notwendig“, erklärt DLR-Forscher Prof. Jan Werner Delfs vom Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik in Braunschweig. „Denn bei elektrisch angetriebenen Flugzeugen kann die Anordnung und Verteilung von Triebwerken am Flugzeug und deren Betrieb ganz neu gedacht werden“, so Delfs weiter. Das Flugzeugdesign kann wesentlich freier erfolgen in Verbindung mit vielen kleinen, verteilten elektrischen Triebwerken. So könnte zum Beispiel die Form der Tragflächen optimiert werden, das Seitenruder wesentlich kleiner aus- oder ganz wegfallen. Wie diese alternativen Flugzeugarchitekturen aussehen könnten, auch daran arbeiten die Wissenschaftler des DLR. jwm

Quelle: DLR

Luftfahrt Ideenschmiede diskutiert Klimawirkungen des Luftverkehrs

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Bisher gibt es noch keine technologische Lösung, die zur Erreichung der europäischen Umweltziele in der Luftfahrt führen würde/Foto: dpa

Rund 200 Teilnehmer aus 17 Ländern waren am 7. und 8. Mai der Einladung der Luftfahrt-Ideenschmiede auf den Ludwig Bölkow Campus bei München gefolgt.  Das Bauhaus Luftfahrt hatte sein viertes wissenschaftliches Symposium zur langfristigen Entwicklung des Luftverkehrs veranstaltet. Das Thema 2019: „Luftfahrtziele über den Flightpath 2050″ hinaus“. 

Redner des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, Airbus Chief Technology Office, und Climeworks – CO2-Abscheidung aus der Luft, präsentierten Technologien und Konzepte, mit welchen der Luftverkehr der Zukunft den Klimawandel aktiv und positiv beeinflussen soll. Auch wenn die ambitionierten Ziele des „Flightpath 2050“ die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in jüngerer Zeit in allen Technologiebereichen stark stimuliert haben, hat sich bisher noch keine technologische Lösung herausgebildet, die zur Erreichung der europäischen Umweltziele in der Luftfahrt führen würde. Für eine erfolgreiche Strategie auch über das Jahr 2050 hinaus ist daher eine ganzheitliche Betrachtung von wirtschaftlichen, regulatorischen, operativen und technologischen Maßnahmen dringend erforderlich.

Ökologische und ökonomische Optimierung der Langstreckenflüge

Von neuesten technologischen Erkenntnissen, Ansichten und Meinungen handelte der Vortrag von Prof. Dr. Mirko Hornung, Vorstand Wissenschaft und Technik des Bauhaus Luftfahrt. In einem derzeit laufenden Forschungsprojekt untersucht der Thinktank interdisziplinär, wie der Langstreckenflug ökologisch, ökonomisch, aber auch vom Flugkomfort her optimiert werden kann. Die Ergebnisse werden mit Spannung erwartet.

Am zweiten Tag des Symposiums ging es um Maßnahmen zur Minderung der Klimawirkungen des Luftverkehrs, außerdem um Potenziale neuartiger digitaler Technologien, den Vormarsch intelligenter Entscheidungsfindung und neue Wege der digitalen Zusammenarbeit. Auch Durchbrüche in technologischen Entwicklungen, zum Beispiel der Leistungselektronik, und die Realisierung neuer Konfigurationen waren Themen, außerdem wurden Technologiebausteine für Antriebssysteme in der Luftfahrt skizziert und diskutiert.

Flightpath 2050

EU-Forschungs- und Innovationsstrategie mit ehrgeizigen Emissionsreduktionszielen: Bis 2050 sollen die CO2-Emissionen um 75 % und die NOx-Emissionen um 90 % pro Passagierkilometer sinken. Die Lärmbelastung soll um 65 % fallen.

Über das Bauhaus Luftfahrt: https://www.bauhaus-luftfahrt.net/ueber-uns/unsere-mission/

Kerosin aus Sonnenlicht, Wasser und CO2

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Solaranlage SUN-to-LIQUID zur Herstellung von Kerosin/Foto: DLR

Die Umstellung von fossilen auf erneuerbaren Kraftstoff ist eine der wichtigsten Herausforderungen der Zukunft. Innerhalb des von der Europäischen Union und der Schweiz geförderten Projekts „SUN-to-LIQUID“ gelang erstmals die Herstellung von solarem Kerosin. Die  Produktion von erneuerbarem Kerosin aus Wasser und CO2 wird durch konzentriertes Sonnenlicht ermöglicht.

„Die SUN-to-LIQUID-Reaktortechnologie und die integrierte chemische Anlage wurden unter den typischen Bedingungen für eine industrielle Kraftstoffproduktion validiert“, sagt Prof. Aldo Steinfeld von der ETH Zürich, der die Entwicklung des solarthermochemischen Reaktors leitet. „Die Demonstration dieser Technologie könnte große Auswirkung auf den Transportsektor haben, speziell für die Luftfahrt und die Schifffahrt, die auf langen Strecken weiterhin auf flüssige Kraftstoffe angewiesen bleiben“, ergänzt Projektkoordinator Dr. Andreas Sizmann von Bauhaus Luftfahrt.

Vom Labor ins Sonnenlicht

Im Vorgänger-Projekt SOLAR-JET entwickelten die Forscher die Technologie und produzierten erstmals solares Kerosin unter Laborbedingungen. SUN-to-LIQUID brachte diese Technologie auf die nächste Entwicklungsstufe und testete sie unter realen Bedingungen an einem Solarturm. Dafür wurde auf dem Gelände des IMDEA Energy Instituts in Móstoles, Spanien, eigens für das Projekt eine einzigartige Solaranlage errichtet. „Ein der Sonne folgendes Heliostatenfeld konzentriert das Sonnenlicht um den Faktor 2500, das entspricht der dreifachen Konzentration im Vergleich zu Solaranlagen, die derzeit zur Energiegewinnung eingesetzt werden“, erklärt Dr. Manuel Romero von IMDEA Energy. Die sehr hohe solare Strahlungsintensität, die durch Flussdichte-Messungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) bestätigt wurde, ermöglicht es, in einem solaren Reaktor Temperaturen von über 1500 Grad Celsius zu erreichen.

Der vom Projektpartner ETH Zürich entwickelte Reaktor produziert aus Wasser und CO2 ein sogenanntes Synthesegas – eine Mischung aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Eine spezielle Fischer-Tropsch-Anlage, die vom Projektpartner HyGear entwickelt wurde, wandelt dieses Synthesegas vor Ort in Kerosin um.

Reduzierung der CO2-Emissionen um mehr als 90 Prozent

Im Vergleich zu fossilem Kraftstoff reduziert SUN-to-LIQUID die CO2-Emissionen um mehr als 90 Prozent. Da sich die solare Kraftstoffproduktion am besten für Wüstenstandorte eignet, bestehe keine Konkurrenz um landwirtschaftliche Nutzfläche. Den Rohstoff CO2 soll die Anlage langfristig aus der Atmosphäre gewinnen. Die zukünftige globale Kerosinnachfrage könne durch regenerative solare Kraftstoffe gedeckt werden, die mit der bestehenden Kraftstoffinfrastruktur kompatibel sind.

Über das Projekt

SUN-to-LIQUID ist ein Vier-Jahres-Projekt, das im Rahmen von Horizont 2020 – des Förderprogramms für Forschung und Innovation der Europäischen Kommission – sowie durch das Schweizer Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) gefördert wird. Projektstart war im Januar 2016, im Dezember 2019 wird das Projekt enden. SUN-to-LIQUID vereint führende europäische Forschungsinstitutionen und Firmen im Bereich thermochemische Solarforschung: ETH Zürich, IMDEA Energy, DLR, Abengoa Energía und HyGear Technology & Services B.V. Der Koordinator Bauhaus Luftfahrt e.V. ist verantwortlich für die Technologie- und Systemanalyse. ARTTIC unterstützt das Forschungskonsortium mit Projektmanagement und Kommunikation.

Quellen: DLR, Bauhaus Luftfahrt


DLR präsentiert Zeitgemäßes und Spannendes auf der Paris Air Show 2019

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Die Falcon 20E der DLR-Forschungsflotte. Wissenschaftler nutzen die Falcon, um vielfältige Fragen der Atmosphären- und Klimaforschung zu untersuchen./Foto: DLR

Der  Airline-Verband IATA gab Anfang Juni in Seoul einen Vorgeschmack auf die neue Zeitrechnung im zivilen Flugzeuggeschäft. Normalerweise liefern sich auf der Luft- und Raumfahrtausstellung in Paris  – dieses Jahr vom 17. bis 23. Juni –  Airbus und Boeing einen ehrgeizig geführten Wettbewerb. Während bei Airbus rund um den 50. Geburtstag die Zeichen auf Feiern stehen, herrscht bei Boeing die größte Krise in der Unrternehmensgeschichte. Zeitgemäßes und Spannendes präsentiert das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, DLR.

Mit aktuellen Projekten und Forschungsergebnissen präsentiert sich das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) vom 17. bis 23. Juni 2019 auf der Paris Air Show. Das DLR widmet sich zeitgemäß besonders den Schwerpunkten Digitalisierung, Klimawandel und Erhalt der Mobilität. Gezeigt werden technische Innovationen für ökoeffiziente Flugzeuge mit geringeren CO2- und Lärmemissionen bis hin zum elektrischen Fliegen sowie die DLR-Falcon 20E, das fliegende Labor für Umwelt- und Klimaforschung.

Das globale Monitoring des dynamischen Systems Erde aus dem All steht mit der deutsch-französischen Satellitenmission MERLIN zur Beobachtung des Treibhausgases Methan im Fokus. Der mobile Astronauten-Assistent CIMON®, der geplante Demonstrator einer wieder verwendbaren Raketenstufe sowie die beiden DLR-Instrumentenbeiträge zur europäischen Merkur-Mission Bepi-Colombo runden den Messeauftritt im Bereich Raumfahrt ab.

Professor Dr. Pascale Ehrenfreund/Foto: Johanna Wenninger-Muhr

„Als die größte europäische Forschungseinrichtung für Luft- und Raumfahrt arbeitet das DLR an der wissenschaftlich-technologischen Basis für neue, innovative Produkte, die unter anderem dazu beitragen, unsere Mobilität auch in Zukunft zu erhalten“, erläutert Frau Prof. Pascale Ehrenfreund, Vorstandsvorsitzende des DLR. „Moderne Technologien wie die aus der Luft- und Raumfahrt sind aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Es gilt, diese Technologien verantwortungsvoll im Interesse der Erhaltung der Umwelt zu gestalten und nachhaltig einzusetzen. Eine Aufgabe, der sich das DLR im Auftrag der Gesellschaft mit Nachdruck widmet.“

Regionalflugzeugkonzept mit verteilten elektrischen Antrieben

Die Entwicklung elektrischer Antriebskonzepte spielen in Anbetracht des erhöhten Luftverkehrsaufkommens eine entscheidende Rolle. Bei dem DLR-Konzept eines Regionalflugzeugs konnten durch die Anordnung vieler Antriebe entlang des Flügels eine Vergrößerung des Auftriebs sowie eine Erhöhung des Antriebswirkungsgrads erreicht werden. Der vergrößerte Auftrieb lässt sich zur Verkleinerung der Tragflügelfläche und damit zur Reduktion von Gewicht und Luftwiderstand nutzen. Außerdem kann die Steuerung des Flugzeugs durch individuelle Ansteuerung der Antriebsmotoren teilweise übernommen werden, sodass die Leitwerke kleiner, damit ebenfalls leichter und widerstandsärmer entworfen werden können. Die elektrische Leistung kann durch Brennstoffzellen oder ein Hybridsystem mit Gasturbine bereitgestellt werden.

Numerische Simulation: Flugzeuge der Zukunft effizienter und umweltfreundlicher gestalten

Die Herausforderungen der Digitalisierung beschäftigen die Luftfahrtforscher schon seit vielen Jahren. Ihre Vision: Der gesamte Lebenszyklus eines Flugzeugs – vom ersten Entwurf, über Entwicklung, Zulassung und Wartung bis hin zur Außerbetriebnahme – soll digital im Rechner abgebildet werden. Dieses „virtuelle Produkt“ würde Kosten und Risiken enorm senken. Doch ein Flugzeug und seine aerodynamischen Eigenschaften sind komplex. Um sich der Realität digital anzunähern, unterteilen Wissenschaftler bei ihren Berechnungen am Computer den Raum um ein Flugzeug herum in ein Netz aus sehr vielen Kontrollzellen. In jeder Zelle können dann physikalische Kräfte wie Druck, Dichte und Geschwindigkeit berechnet werden. Je kleiner die Zellgrößer umso höher ist die Genauigkeit der Simulation. Daraus ergibt sich ein riesiges System von mathematischen Gleichungen für die zu berechnenden Strömungsgrößen. Hochleistungsrechner ermöglichen es, Abermillionen von Rechenschritten pro Sekunde durchzuführen und ein solches Netz mit konsistenten Werten zu füllen. Aufwendige Simulationsrechnungen zu lösen und das Verhalten von Flugzeugen im Rechner zu simulieren, sind maßgebliche Schritte in der Luftfahrtforschung, um Treibstoffverbrauch sowie Schadstoff- und Lärmemissionen zu reduzieren und die Flugzeuge der Zukunft sicherer, umweltfreundlicher und wirtschaftlicher zu machen – bis hin zum Zero-Emission-Aircraft.

Falcon 20E: Fliegen für die Klima- und Umweltforschung

Mit dem Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull im April 2010 kam die Falcon 20E-5 des DLR zu ihrem bisher spektakulärsten Einsatz: Als „Volcano Ash Hunter“ flog sie in die Aschewolke über Deutschland, dem Vereinigten Königreich und Island. Dort untersuchte sie die Zusammensetzung und Konzentration der Vulkanpartikel, die den Linienflugverkehr zum Erliegen brachten. Wissenschaftler nutzen die Falcon, um vielfältige Fragen der Atmosphären- und Klimaforschung zu untersuchen. Direkt an Bord vermessen sie Spurengase und Aerosole und sammeln Luftproben für spätere Laboranalysen. In den letzten Jahren war die Falcon eines der wichtigsten Großforschungsgeräte des DLR, um die Auswirkungen von Flugzeug-Emissionen auf die Atmosphäre zu erforschen. Ihre einzigartige Modifikation und Ausstattung machen die Falcon zu einer echten Mehrzweckplattform für Forschungsanwendungen, die den individuellen Bedürfnissen entsprechend angepasst werden kann.

Die deutsch-französische Klimamission MERLIN

Methan (CH4) ist nach Kohlendioxid (CO2) der zweitgrößte Beitrag zur vom Menschen verursachten Klimaerwärmung. Ein von den Vereinten Nationen eingesetztes Wissenschaftlergremium bescheinigte Methan ein rund 25-fach höheres Potenzial zur globalen Erwärmung als CO2. Um effektiven Klimaschutz betreiben zu können, ist es dringend notwendig, den Zyklus des Treibhausgases Methan besser zu verstehen. Die hochpräzise globale Vermessung des Methangehaltes in der Erdatmosphäre kann nur vom Weltraum aus erfolgen. Besonders Schlüsselregionen wie tropische Feuchtgebiete, Regenwälder und Permafrost-Regionen sind ohne Satelliten nur schwer zugänglich. Der deutsch-französische Kleinsatellit MERLIN (Methane Remote Sensing LIDAR Mission) soll mit Hilfe eines LIDAR-Instruments (Light Detecting and Ranging) ab 2024 aus einer Höhe von rund 500 Kilometern Methan aufspüren und überwachen. Ziel der dreijährigen Mission des DLR und der französischen Raumfahrtagentur CNES ist unter anderem die Erstellung einer globalen Weltkarte der Methankonzentrationen. (jwm)

Quellen: DW, DLR

For a safer World

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Foto: tagesschau.de

Auch in diesem Sommer drohen wieder Verspätungen, auch wegen überlasteter Flugsicherungen. Das von Forschern des DLR entwickelte Remote Tower System könnte in Zukunft hier Abhilfe schaffen. Inzwischen gibt es Unternehmen, wie etwa die Wiener Firma „Frequentis“, die sich auf digitale Kommunikationsssysteme für Flughäfen und Blaulichtorganisationen spezialisiert hat und mit  „Remote Tower“ neue Standards setzt. Das Unternehmen ist Weltmarktführer in dieser Spezialnische.

Das Remote Tower- System ist inzwischen für den Flughafen Saarbrücken Realität. Díe Lotsen sitzen im 400 Kilometer entfernten Center in Leipzig. Sie sind über Kameratechnologie und Sensorik mit dem Flughafen Saarbrücken verbunden, den sie live auf dem Bildschirm sehen. Sie haben alle Daten auf dem Schirm und sind in der Lage, mehrere wenig frequentierte Flughäfen gleichzeitig zu managen. Weil das System auch Infrarot umfasse, steige damit auch die Sicherheit.

Mehrere Flughäfen gleichzeitig aus der Ferne steuern – ein unheimliches Szenario?

Frequentis ist in der Flugkommunikation in rund 140 Ländern vertreten, beschäftigt weltweit 1843 (Ende 2018) Mitarbeiter aus 35 Nationen, davon knapp 900 in Wien. Nobert Haslacher,  zuständig für die operative Führung spricht von jährlich etwa 4000 Bewerbungen, von denen er nur knapp 80 nehmen kann. Man habe ein strenges Auswahlverfahren und nehme nur Leute an Bord, die von ihrer fachlichen, sozialen und persönlichen Kompetenz her das Gen hätten, sicherheitskritisch denken zu können. Der Slogan der Firma laute „For a safer world“.

Auch an einer weiteren Innovation arbeite sein Unternehmen: an Drohnen. Sie würden in Zukunft einen großen Einfluss haben. In der zivilen Flugsicherung versuche man mit Drohnen den Luftverkehr zu kombinieren und in ein System zu bringen. In Zukunft, so Haslacher werde jede Drohne eine klare Identifikation haben, die sie über ein normiertes Verfahren zum Boden sende – wie eine elektronisches Nummernschild. Nur derzeit sehe es so aus, dass jedes europäische Land seinen eigenen Standard haben werde. Man brauche aber eine zentrale Datenbank, in der alles erfasst sei und eine Interoperabilität, damit die Systeme arbeiten können. jwm

Quellen: SN, DLR, Visionsblog.info

 

 

DLR präsentiert Innovationen auf der Nationalen Luftfahrtkonferenz

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Mit dem neuen Forschungsflugzeug HALO (High Altitude and Long Range Research Aircraft) beginnt ein neues Kapitel in der Geschichte der deutschen Atmosphärenforschung und Erdbeobachtung. Die Kombination aus Reichweite, Flughöhe, Nutzlast und umfangreicher Instrumentierung macht das Flugzeug zu einer weltweit einzigartigen Forschungsplattform/Foto: DLR

Innovationen hin zu einem klimafreundlicheren Luftverkehr rücken immer mehr in den Vordergrund. Anlässlich der Nationalen Luftfahrtkonferenz am 21. August 2019 in Leipzig präsentiert das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) seine Kompetenzen und Forschungsarbeiten in den Bereichen alternative Treibstoffe, elektrisches Fliegen, unbemanntes Fliegen und Atmosphärenforschung.

Die DLR-Forschungsflugzeuge HALO, Do-228 D-CFFU sowie der Fliegende Hubschraubersimulator EC-135 FHS sind vor Ort. „Grundsätzlich sehen wir zwei Hauptaufgaben in der Luftfahrt: Zum einen müssen wir die heutigen Flugzeuge weiter verbessern, weil diese noch eine ganze Weile fliegen werden, und darüber hinaus müssen wir den Weg für neue Fluggeräte bereiten“, sagt Prof. Rolf Henke, DLR-Vorstand Luftfahrtforschung. Bei den heutigen Flugzeugen könne man noch eine Menge tun in der Aerodynamik, beim Gewicht, bei den Antrieben und mit synthetischen Kraftstoffen. Für die Fluggeräte von morgen wiederum sei noch viel Forschungsarbeit zu leisten: Elektrisches Fliegen verspreche bezüglich Lärm- und Schadstoffreduzierung große Potenziale und könne auf Kurz- und Mittelstrecken einen umweltverträglichen Luftverkehr ermöglichen. Die Vision sei das ‚Zero Emission Aircraft‘.“

Die DLR-Forschungsthemen auf der Nationalen Luftfahrtkonferenz im Einzelnen:

Konzeptentwurf „Electric Flight Demonstrator“

Wie das DLR mitteilt, seien Hybridelektrische Antriebe eine Schlüsseltechnologie und wichtiger Wegbereiter zur Realisierung des elektrisch angetriebenen Fliegens. Dieses biete das Potential die CO2-, Stickoxid- und Lärm-Emissionen deutlich zu senken auf dem Weg zum „Zero Emission Aircraft“. So würden elektrische Antriebssysteme in Zukunft sowohl im Individual-Luftverkehr (Urban Air Mobility) als auch im Bereich der Zubringerflugzeuge (Commuter) zum Einsatz kommen und neue Flugzeugkonfigurationen ermöglichen. Während bisher nur batterie-elektrisch angetriebene Kleinflugzeuge in Betrieb seien und sich hybrid-elektrische Kleinflugzeuge in der Flugerprobung befänden, habe das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam mit den Industriepartnern Siemens, MTU Aero Engines und RUAG Aviation eine Machbarkeitsstudie für ein 19-sitziges Testflugzeug auf Basis einer Dornier Do-228 erstellt. Die Studie zeige gute Erfolgschancen für den Umbau und die Erprobung eines nationalen „Electric Flight Demonstrator“, der über ein vollwertiges elektrisches Antriebssystem in der 500 kW-Leistungsklasse in den Ausbaustufen batterie-elektrischer Betrieb und hybrid-elektrischer Betrieb mit zusätzlichem Gasturbinengenerator verfüge. Die Testplattform in der Commuter-Größe ermögliche umfangreiche Forschungsarbeiten und die Weiterentwicklung zur Verwendung von Wassersoff als Energieträger, um die Potentiale des elektrischen Fliegens für eine faire Umweltbilanz des Luftverkehrs auf Kurz- und Mittelstrecke zu heben. Die Do-228 D-CFFU, die im Bereich Erdbeobachtung für das DLR im Einsatz ist, zeige auf der Nationalen Luftfahrtkonferenz mit einer Sonderbeklebung die Größe solch eines Erprobungsträgers.

Alternative Treibstoffe in der Luftfahrt

Synthetische Treibstoffe, die zum Beispiel aus Erdgas (Gas to Liquid, GtL) oder Biomasse (Biomass to Liquid, BtL) hergestellt werden, besitzen ein hohes Potenzial für einen umweltfreundlicheren Luftverkehr. Im Gegensatz zu konventionellem Kerosin kann die chemische Zusammensetzung bei synthetischen Treibstoffen durch entsprechende Herstellungsverfahren kontrolliert werden. Dies ermöglicht – unabhängig vom Triebwerk – bessere Verbrennungseigenschaften und weniger Schadstoffbildung.

Im Projekt „ECLIF“ (Emission and CLimate Impact of alternative Fuels) untersuchte das DLR in Flugversuchen gemeinsam mit Partnern, wie die Eiskristallisation bei der Kondensstreifenbildung und Schadstoffemissionen solcher Treibstoffe in großen Höhen ablaufen. Ziel sei das sogenannte „Fuel Design“,  die Gestaltung und Optimierung eines möglichst emissionsarmen Treibstoffs der Zukunft mit genau definierten Eigenschaften, wie etwa geringerer Rußbildung und Verringerung der Klimawirkung von Kondensstreifen-Zirren. Ein Exponat auf der Konferenz zeigt zwei Flammen, eine mit herkömmlichem Kerosin und eine mit Treibstoff auf GtL-Basis, wobei sich direkt die unterschiedliche Rußneigung der beiden Treibstoffe zeigt. Durch die erheblich reduzierte Anzahl an aromatischen Kohlenwasserstoffen rußt der GtL-Treibstoff sehr viel weniger als herkömmliches Kerosin.

Atmosphären- und Klimaforschung mit HALO

Das Forschungsflugzeug HALO (High Altitude Long Range), eine modifizierte Gulfstream G550, sei wegen der Kombination aus Reichweite, Flughöhe, Nutzlastkapazität und umfangreichen Instrumentierungsoptionen eine weltweit einzigartige Forschungsplattform für Messungen zu aktuellen Fragen der Atmosphären- und Klimaforschung sowie auch für die Erdbeobachtung. Der Fokus liege dabei auf Messungen, für die die maximale Flughöhe von bis zu 15 Kilometern sowie die lange Reichweite bis zu 8000 Kilometern und zehn Stunden Flugzeit entscheidend sind. Das fliegende Labor, das mit einer Vielzahl unterschiedlichster Messmethoden ausgestattet werden kann, ist auf der Konferenz zu sehen.

Ab September 2019 wird HALO für einen Monat nach Rio Grande im Süden Argentiniens aufbrechen. Ausgestattet mit einem bereits installierten neuen laserbasierten LIDAR (Light Detecting and Ranging) planen die Forscher von dort aus Flüge über die angrenzenden Ozeane und Richtung Antarktis, um bis in 80 Kilometer Höhe atmosphärische Schwerewellen zu messen. Atmosphärische Schwerewellen beeinflussen das Wetter und sind ein Faktor im Verständnis des Klimasystems der Erde. HALO ist eine Gemeinschaftsinitiative deutscher Umwelt- und Klimaforschungseinrichtungen.

Unbemannt-bemanntes Fliegen im Team

Die Fluggeräte von morgen würden n auch unbemannte Flugsysteme sein. Die Branche erfahre derzeit ein rasantes Wachstum einhergehend mit neuen Konzepten und Technologien. Mit der neuen „Urban Air Mobility“ zeige sich für den Lufttransport in und zwischen Städten ganz neue Potenziale. Dabei werden diese neuen Elemente der Luftfahrt aber eine große Herausforderung für das Management des unteren Luftraums darstellen. Mit dem neuen DLR-Testzentrum für unbemannte fliegende Systeme in Cochstedt bei Magdeburg stellt das DLR die dafür notwendige Forschungsinfrastruktur auch Partnern zur Verfügung. Im Herbst 2018 erprobte das DLR in Cochstedt beispielhaft den Formationsflug des DLR-Hubschraubers EC-135 FHS und des unbemannten Kleinhubschraubers SuperArtis, wie er bei Erkundungsflügen nach Naturkatastrophen nötig ist. Beide Fluggeräte sind auf der Konferenz zu besichtigen und stellen das Forschungsthema bemannt-unbemannter Teamflug dar. Zudem probte SuperARTIS im vergangenen Jahr bei Flugversuchen in der Dominikanischen Republik die unbemannte Zustellung von Hilfslieferungen.

Quelle: DLR

Klarluftturbulenzen – Clear Air Turbulences – nehmen zu

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11. Juli 2019: Ruhig flog die Boeing 777 von Air Canada über dem Pazifik. Die Nacht war wolkenlos. Viele Passagiere schliefen, manche standen in den Gängen, andere schauten Filme. Die Anschnallzeichen leuchteten nicht. Dann passierte es.  In Zukunft, so sagt es jetzt der Atmosphärenforscher Paul Williams von der University of Reading voraus, dürfte dieses Phänomen wesentlich häufiger vorkommen – denn der Klimawandel wirkt nicht nur am Boden, sondern in spezieller Weise auch in der Höhe.

Ohne jede Warnung fiel das Flugzeug viele hundert Meter tief. Bücher, Laptops, Getränkeflaschen flogen wie Geschosse durch die Luft – und Passagiere, die nicht angeschnallt waren knallten mit dem Kopf gegen die Kabinendecke und stürzten sogleich wieder hinunter auf Sitze oder andere Fluggäste. So plötzlich der Horror begonnen hatte, so plötzlich hörte er wieder auf. Die Besatzung musste sich um blutende, weinende und schockierte Menschen kümmern. Sauerstoffmasken baumelten von der Decke. Von den 269 Passagieren waren 37 verletzt, manche davon schwer. Um sie zügig ins Krankenhaus zu bringen, entschied der Kapitän, den Flug von Vancouver nach Sydney abzubrechen und stattdessen nach weiteren zwei Stunden Flugzeit in Honolulu auf Hawaii zu landen.

Was den kanadischen Jet am 11. Juli bei scheinbar bestem Flugwetter gebeutelt hatte, war ein Fall von „Clear Air Turbulence“, kurz CAT genannt. Es gibt viele Gründe, warum Flugzeuge manchmal unangenehm rütteln und schütteln – aber so gefürchtet wie die sogenannte Klarluftturbulenz ist sonst keiner. Das Tückische daran: Kein Pilot, Radar, Satellit oder Meteorologe kann eine CAT vorhersagen. Die Turbulenz kommt aus dem Nichts.

Vor Air Canada hatte die CAT an jenem Julitag bereits einem anderen Flieger zugesetzt – einem Airbus A380 der Fluggesellschaft Emirates. Die Riesenmaschine war tags zuvor in Neuseeland gestartet. Etwa drei Stunden vor der Landung in Dubai sackte der Jet ohne Vorwarnung ab. Passagiere, die nicht angeschnallt waren, wurden von ihren Sitzen gerissen; viele von ihnen krachten ebenfalls mit dem Kopf gegen die Kabinendecke und verletzten sich. In sozialen Netzwerken kursiert ein Video, das eine Szenerie mit umgestürzten Trolleys in den Bordküchen, die komplett verwüstete Bar der Businessclass zeigt.

In Zukunft, so sagt der Atmosphärenforscher Paul Williams von der University of Reading voraus, dürfte dieses Phänomen wesentlich häufiger vorkommen – denn der Klimawandel wirkt nicht nur am Boden, sondern in spezieller Weise auch in der Höhe. Ein CAT-Ereignis, unter Passagieren irreführend als „Luftloch“ bekannt, könne entstehen, wenn oberhalb von 6000 Meter Höhe Luftmassen einander passieren, die mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterwegs sind. Das geschieht besonders oft im Bereich der Jetstreams – jener Starkwindbänder in der Troposphäre, die sich über den mittleren Breiten oder auch den subtropischen Gebieten von West nach Ost bewegen. Eigentlich ist der Polarfrontjetstream ein willkommener Flugbegleiter: Vor allem im Winter gibt er den Maschinen auf vielen Routen Rückenwind und verkürzt so die Flugzeit zum Beispiel von Chicago nach Frankfurt manchmal um zwei Stunden.

Jetstream neigt aufgrund des Klimawandels zu Schlingern

Wegen des Klimawandels, so Williams, neige der Jetstream allerdings seit einiger Zeit zum Schlingern. Er bewege etwa Wettersysteme über Europa oft nicht mehr so schnell fort wie zuvor, weswegen es vermehrt zu verharrenden Wetterlagen komme, wochenlang Sonne etwa oder wochenlang Regen.

Außerdem, so berichtet Forscher Williams, werde der Jetstream aufgrund des Klimawandels immer unruhiger: Seine Windgeschwindigkeiten in den verschiedenen Höhen unterschieden sich zusehends stärker. Seit Beginn der Erhebung von Satellitendaten im Jahr 1979, so schreibt Williams im Wissenschaftsmagazin „Nature“, haben die vertikalen Windscherungen in der typischen Reiseflughöhe über dem Nordatlantik um rund 15 Prozent zugelegt. Schon jetzt liege das Risiko für turbulente Transatlantikflüge höher als früher.

Risiko steigt, wenn der CO2-Ausstoß nicht massiv begrenzt wird

Und dieses Risiko werde weiter steigen, vor allem wenn die Menschheit den CO2-Ausstoß nicht massiv begrenzt. Williams hat berechnet, wie sich das Flugwetter ändert, wenn die Emissionen ungebremst anhalten. Ergebnis: In der Zeit nach 2050 werde sich die Zahl der besonders starken CAT-Ereignisse in großer Höhe mehr als verdoppeln. Besonders ungemütlich werde es über Europa und noch mehr auf Transatlantikflügen.

So weit die schlechten Nachrichten. Hier noch eine gute: Weltweit arbeiten Forscher an neuen lasergestützten Instrumenten, die vor schweren Turbulenzen warnen. Immerhin etwa eine Minute vor Beginn der Rüttelei sollen sie Alarm geben – Zeit genug, um von der Warteschlange vor der Toilette zum Sitz zu rennen und sich anzuschnallen. Denn der Gurt wird auch in Zukunft für Passagiere und Crew-Mitglieder der beste und der einzige Schutz bei Clear Air Turbulence sein.

Quelle: Spiegel online

Hessen will in Deutschland führend in PTL-Forschung werden

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Volker Bouffier und Tarek Al-Wazir. © Hessische Staatskanzlei

Die schwarz-grüne hessische Landesregierung will Vorreiter bei einer Kraftstoffwende werden und in großem Umfang in die Power-to-Liquid-Forschung (PTL) investieren. Nach dem Willen der Landesregierung soll sich Hessen an die Spitze der Entwicklung klimaneutraler Flugzeugkraftstoffe stellen. Das sagte der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier am 5. September im Landtag und verwies dabei auf die hohe Relevanz des Wirtschaftszweiges Luftfahrt für das Bundesland.

Es müsse darum gehen, die Umweltbelastungen durch den Flugverkehr zu verringern und gleichzeitig die Wertschöpfung der Branche zu erhalten. Die schwarz-grüne Landesregierung begreife Ökologie und Ökonomie nicht als Gegensatz, betonte Bouffier. Dies finde sich auch im Koalitionsvertrag wieder, in dem Schwarz-Grün sich darauf geeinigt hatte, ein Kompetenzzentrum für Klima- und Lärmschutz im Luftverkehr zu schaffen.Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) hatte auf der Nationalen Luftfahrtkonferenz in Leipzig kürzlich angekündigt, dass Hessen mit einer Pilotanlage für klimaneutral hergestellte Kraftstoffe die Entwicklung und Produktion synthetischen Flugzeugkerosins vorantreiben wolle.

 

Hessen – der richtige Ort um an neuen Technologien zu forschen

„Wir brauchen eine Kraftstoffwende im Luftverkehr, weg von fossilen Kraftstoffen hin zu Power-to-Liquid.“ Frankfurt sei der richtige Ort, um an der neuen Technologie zu forschen, sie zu erproben und in den Betrieb zu bringen, so Al-Wazir. Hessen beabsichtige, dafür „Mittel in erheblichem Umfang“ einzusetzen. Das Land sei bereit, für die Koordination der unterschiedlichen Initiativen und Akteure, die sich in Deutschland derzeit herausbilden, eine bundesweite Geschäftsstelle einzurichten und eine Roadmap zu erarbeiten.Als konkrete Aufgaben nannte Al-Wazir Forschung, Innovation und Erprobung von Anlagen mit zunehmenden Volumen im technischen Bereich sowie die Entwicklung gemeinsamer Umweltstandards. „Es wäre nicht klug, wenn jetzt hier jeder sein eigenes Süppchen kocht. Wir brauchen hier ein koordiniertes Vorgehen.“Hessen biete mit dem größten deutschen Flughafen, dem House of Logistic and Mobility und dem im Aufbau befindlichen Kompetenzzentrum für Klima- und Lärmschutz im Luftverkehr auch die optimalen Voraussetzungen.Quellen: Hessische Staatskanzlei, dpa, airliners.de

 

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